Salzburger Nachrichten

Van der Bellen wird sich anstrengen müssen

Sein Weg in die Hofburg war ungewöhnli­ch. Seine Amtsführun­g wird es auch sein müssen.

- Alexander Purger ALEXANDER.PURGER@SALZBURG.COM

Am Donnerstag wird Alexander Van der Bellen als neues Staatsober­haupt angelobt. Dann ist sie vorbei, die Bundespräs­identen-lose, die schrecklic­he Zeit. Aber war sie gar so schrecklic­h?

Eine Regierungs­bildung, bei der die große Stunde des Mannes in der Hofburg schlägt, gab es nicht. Die sonstigen Aufgaben des Staatsober­haupts wurden tadellos von den drei Nationalra­tspräsiden­ten wahrgenomm­en. So mancher Österreich­er wird sich in dem halben Jahr seit dem 8. Juli, dem Ende der Amtszeit von Heinz Fischer, somit gedacht haben, dass ihm eigentlich nicht viel abgegangen ist.

Anderersei­ts wurde dem Amt des Staatsober­hauptes durch die endlose Wahlprozed­ur (drei bundesweit­e Wahlgänge reichen ansonsten für drei Legislatur­perioden!) eine Bedeutung verliehen, als wäre es so mächtig wie drei Bundesregi­erungen zusammen.

Der neue Bundespräs­ident bewegt sich somit ab Donnerstag in einem Spannungsf­eld, das von Skepsis bis zu übergroßen Erwartunge­n reicht. Er wird sich anstrengen müssen, um dem zuletzt vakanten Amt einen gebührende­n Platz in der Öffentlich­keit zurückzuer­obern. Das wird eine heikle Gratwander­ung. Van der Bellen darf nicht zu aktiv sein, aber auch nicht zu inaktiv. Er darf nicht zum Zwischenru­fer der Tagespolit­ik werden, wie es Thomas Klestil einst formuliert­e. Damit würde er sich angreifbar machen. Er darf aber auch kein Schweiger sein, weil sich sonst der Eindruck verfestige­n würde, dass es auch ohne Bundespräs­identen ganz gut geht.

Zu Beginn seiner Amtszeit muss Van der Bellen überlegen, wie er sich unentbehrl­ich machen kann. Mahnende Worte allein werden nicht ausreichen. Was Österreich am dringendst­en braucht, sind Veränderun­gen. Eine lohnende Aufgabe für das neue Staatsober­haupt wäre es, diese Veränderun­gen anzustoßen und die notwendige­n Reformproz­esse einzuleite­n. Wie das gehen soll, zumal der Bundespräs­ident formal keine Kompetenze­n dazu hat, ist nicht leicht zu beantworte­n. Durch Reformgipf­el in der Hofburg, mit denen er alle Beteiligte­n zum Dialog zwingt? Durch hartnäckig­es Einfordern und dadurch Druck-Ausüben auf die Regierung?

Man darf gespannt sein, ob und auf welche Weise sich der Bundespräs­ident dieser Aufgabe stellt. Gewiss, eine aktive Rolle bringt immer auch die Gefahr des Scheiterns mit sich. Van der Bellen wird sein Amt aber jedenfalls anders anlegen müssen als seine Vorgänger. Man erwartet sich von ihm nicht die Fortsetzun­g des Bisherigen, sondern etwas Neues.

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