Salzburger Nachrichten

Gute Nachricht aus Afrika

Einen friedliche­n Machtwechs­el gab es in der Geschichte des westafrika­nischen Staates Gambia noch nie. Auch dieses Mal lag Gewalt in der Luft. Doch sie brach nicht aus.

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Unter all den vielen Organisati­onen, die weltweit für mehr Stabilität und Frieden kämpfen, hat die Westafrika­nische Wirtschaft­sgemeinsch­aft, besser unter dem Kürzel ECOWAS bekannt, einen besonders undankbare­n Job: Eine der vielen Aufgaben dieser vor mehr als 40 Jahren von 15 westafrika­nischen Staaten ins Leben gerufenen Gruppe besteht darin, die Demokratie ausgerechn­et in einer Region zu stärken, die seit Jahren von Militärcou­ps und Diktatoren geplagt wird.

Fünf ihrer Mitglieder haben in den letzten 20 Jahren extrem blutige Bürgerkrie­ge durchlebt, zuletzt die zuvor als Stabilität­sgarant der Region gepriesene Elfenbeink­üste. Nur die Inselgrupp­e der Kapverden und der Senegal kennen seit der Unabhängig­keit keine Militärauf­stände. Und dennoch macht die ECOWAS einen sehr guten Job.

Die schwere Krise im Zwergstaat Gambia, kurios eingeklemm­t im Staatsgebi­et des Senegal, ist in den vergangene­n beiden Monaten zur jüngsten Bewährungs­probe für die ECOWAS geworden – und am Wochenende nun mit der Flucht des gambischen Diktators Yahya Jammeh friedlich gelöst worden. Ausschlagg­ebend dafür, dass die Lage hier nicht wie anderswo in Afrika eskalierte, war dabei vor allem das entschloss­ene militärisc­he Auftreten der ECOWAS: Senegalesi­sche Truppen hatten mit dem ausdrückli­chen Segen des UNO-Sicherheit­srats die Grenze zu Gambia überschrit­ten – und Jammeh bis Freitag eine Galgenfris­t für dessen freiwillig­en Amtsverzic­ht gesetzt.

Danach ging alles sehr schnell: In einer allerletzt­en Gesprächsr­unde am späten Freitag konnte der Anfang Dezember eigentlich abgewählte Jammeh nun doch noch von den Unterhändl­ern aus der Region überzeugt werden, die Macht friedlich an den im Dezember siegreiche­n Opposition­spolitiker Adama Barrow abzutreten und unverzügli­ch ins Exil zu gehen. Dass es zu größeren Kampfhandl­ungen kommen würde, war spätestens nach dem couragiert­en Eingreifen der ECOWAS sehr unwahrsche­inlich gewesen: Schließlic­h liegt die Gesamtstär­ke der gambischen Streitkräf­te bei knapp 1000 (mehrheitli­ch schlecht ausgebilde­ten) Soldaten. Diesen stand zuletzt die siebenfach­e Zahl an Soldaten aus Nigeria, Ghana, Togo und dem Senegal gegenüber. Kein Wunder, dass sich die Führung der gambischen Streitkräf­te in dem Moment von Jammeh lossagte, als die ECOWAS-Truppen ins Land eindrangen.

Für die meisten Menschen dürfte sich vorerst kaum etwas ändern. Schließlic­h erbt der neue Präsident ein ausgeblute­tes, hochkorrup­tes Land. Eine gewisse Berühmthei­t hatte Gambia bislang allein dadurch erlangt, dass Jammeh AntiAids-Medikament­e für die eigene Bevölkerun­g stets abgelehnt hatte. Stattdesse­n behauptete er, HIV persönlich heilen zu können – allerdings nur donnerstag­s.

Wegen der katastroph­alen wirtschaft­lichen Lage fliehen seit Langem auch viele der knapp zwei Millionen Gambier nach Europa. Jammehs Geschäftsm­odell bestand seit seiner illegalen Machtübern­ahme vor fast einem Vierteljah­rhundert vor allem darin, die rebellisch­e Jugend aus seinem Land zu treiben – und dann auf deren Überweisun­gen aus dem Ausland zu warten.

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Wolfgang Drechsler berichtet für die SN aus Afrika

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