Streitet ruhig, aber versöhnt euch wieder
Das unsterbliche Duo „Don Camillo und Peppone“kommt erstmals als Musical auf die Bühne im Wiener Ronacher.
Ein Zufall? Gerade am vorletzten Wochenende lief der Film wieder einmal im österreichischen Fernsehen. „Don Camillo und Peppone“mit Fernandel und Gino Cervi ist seit 1952 erfolgreich und kennt kein Ablaufdatum. Dass allerdings jemand auf die Idee kommt, ein Musical aus der literarischen Vorlage von Giovanni Guareschi („Il mondo piccolo“) zu machen, ist doch ungewöhnlich. Wer hatte die Idee? „Das war Michael Kunze“, sagt Andreas Gergen im SN-Gespräch. Kunze gilt als erfolgreichster Musicaltexter, der heute 73-Jährige kennt natürlich wie viele seiner Generation die Geschichte vom streitbaren Pfarrer und seinem Widersacher, dem kommunistischen Bürgermeister, seit frühen Tagen. „Aber da gehöre ich auch dazu, ich bin mit dem Film schon als Kind in Kontakt gekommen“, betont Andreas Gergen, Jahrgang 1973. Gergen ist derzeit noch Operndirektor des Salzburger Landestheaters und hat in seiner Laufbahn rund 50 Opern, Operetten und Musicals inszeniert.
Nun arbeitet er gerade in Wien mit dem Ensemble der Vereinigten Bühnen Wien an „Don Camillo und Peppone“, das Michael Kunze gemeinsam mit dem italienischen Komponisten Dario Farina verfasste. Farina schrieb unter anderem „Felicità“für Al Bano und Romina Power, nun bringt er „Italianità“für die Musical-Charaktere ein, wie Gergen sagt. „Farina ist außerdem ein absoluter Opernspezialist“, sagt Gergen, „es gibt hie und da Anspielungen auf italienische Oper, dazu Italo-Pop, Musical, das ist eine Melange aus unterschiedlichen Stilen, die diesen besonderen Klang ergibt.“Arrangiert hat die Partitur der Dirigent Koen Schoots, Musikdirektor der Vereinigten Bühnen Wien, für das kleine Orchester, das im hinteren Bereich postiert ist, denn vorn ist statt des Orchestergrabens der „Strom“, der durch das italienische Dorf Boscaccio fließt. Das Bühnenbild von Peter J. Davison zeigt ein sehr heruntergekommenes Dörflein kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Dazu passen auch die Kostüme von Yan Tax. Die ersten Probeneindrücke lassen erahnen, dass es ein netter, beherzter, auch rührender Musicalabend werden könnte. Und man wird die Melodien nur schwer los.
Musicalkomponisten legen es ja à la Andrew Lloyd-Webber eher drauf an, einen Hit zu landen, den die Leute beim Nachhausegehen pfeifen können. „Es gibt natürlich Motive, die den Charakteren zugeordnet sind“, erklärt Gergen. „Das sind fast Leitmotive, die in den Songs und Untermalungsmusiken oder in den Dance-Breaks den Figuren zugeordnet sind. Die werden immer auch wiederholt und sollen in den Gehörgang der Zuhörer gepflanzt werden“, sagt Gergen. Aber „kalkuliert“will er das nicht nennen. „Als Regisseur gehe ich sowieso von der Geschichte aus – und ich sage, was notwendig ist, um die Geschichte glaubwürdig emotional und unterhaltsam zu erzählen.“Die italienische Geschichte dreht sich im Wesentlichen um zwei Hauptpaare, ein „verbotenes“Liebespaar Gina und Mariolino und zwei ältere Herren, die um Seelen bzw. Wählerstimmen kämpfen. Und Kunze hat noch eine Figur eingeführt, die „alte“Gina, die als alte Dame die Veränderungen im Dorf kommentiert (Maya Hakvoort ist kaum zu erkennen) und ihre Jugendliebe wiedererlebt, fast wie Cecilia Bartoli in der „West Side Story“der Salzburger Festspiele. „Wegen dieses Liebespaars werden letzten Endes die Konflikte im Dorf überdacht“, sagt Gergen. „Weil die beiden in ihrer Liebe keinen anderen Ausweg sehen als den gemeinsamen Freitod, sagt sich das Dorf, das kann es doch nicht sein – und legt das Kriegsbeil nieder.“Vor allem sieht Andreas Gergen die Aktualität des Stücks. „Es gibt tatsächlich keinen besseren Zeitpunkt, dieses Stück aufzuführen, als heute. Jetzt, wo unterschiedliche Ideologien, Lebensanschauungen, Lebensentwürfe aufeinanderprallen. Die Botschaft ist ja, nur im Miteinander und in der Koexistenz liegt die Lösung“, sagt Andreas Gergen.
Den Don Camillo spielt und singt Andreas Lichtenberger, seinen Gegenspieler Peppone Franz Winkels, der derzeit auch als Luther im neuen Tourneemusical in Deutschland gefeiert wird. Man darf gespannt sein.
„Gerade heute muss man dieses Stück zeigen.“Andreas Gergen, Musicalregisseur