Schlagerwelt macht atemlos
Studierende des Mozarteums machten sich auf Spurensuche nach Helene Fischer & Co.
Dass Schlager boomt und dessen Stars wie Helene Fischer der Musikindustrie konstant traumhafte Verkaufszahlen bescheren, ist gemeinhin bekannt. Ebenso, dass das Genre stark polarisiert. Doch worauf stützt diese Szene ihre Koordinaten? Neugierig, was wohl hinter der Renaissance des Schlagerzirkus und seiner vornehmlich heilen Welt steht, haben sich vier Schauspielstudierende des dritten Jahrgangs der Universität Mozarteum gemeinsam mit Professor Cornelius Borgolte aufgemacht und dem Phänomen den Puls gefühlt.
Am Freitag heizten die Studierenden den Zusehern im Salzburger Theater im Kunstquartier mit einer knapp einstündigen Schlagerrevue sprichwörtlich ein. Ausgangspunkt für das szenische Projekt mit dem Helene-Fischer-Songtitel „Atemlos“war eine 2014 veröffentlichte Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Sie bescheinigte 51 Prozent der Männer und 59 Prozent der Frauen in Deutschland eine Vorliebe für Schlager.
„Schlager ist absolut in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen, sogar mehr noch als vor 20 Jahren“, konstatiert Cornelius Borgolte. Selbst Skeptiker stürmten die Tanzfläche, wenn Helene Fischer laufe. Hinzu komme, dass der Schlager nicht mehr nur der älteren Generation zugerechnet werden könne, sondern viele junge Menschen unter den Fans seien.
In den vergangenen zwei Wochen probten die Studierenden täglich sechs Stunden und befassten sich intensiv mit den Strukturen hinter dem Run. „Wir haben rasch Parallelen zum Populismus entdeckt. Im Schlager gibt es die Vorliebe für eine heile Welt und das Verbot, sich mit komplexen Themen auseinanderzusetzen.“
Erstaunlich sei gewesen, dass selbst abseits von Songtexten keinerlei politische Positionierung der Schlagerstars zu belegen sei. „Einzige Ausnahme ist Roland Kaiser“, stellt Cornelius Borgolte fest. Es sei in Ordnung, banale Musik zu hören, aber lediglich nach Ablenkung und simplen Botschaften zu lechzen, sei doch bedenklich.
Für das Projekt haben zwei Studierende selbst Schlagerhits geschrieben. „Wir haben die beiden Songs in zwanzig Minuten komponiert.“Mit der entsprechenden Marketingmaschinerie ließen sich diese Nummern problemlos vermarkten, versichert Borgolte. Mit Spannung wurde die Verführbarkeit des Publikums erwartet. „Wir werden ja leider wenige Schlagerfans ins Theater locken können, aber wir hoffen, das Publikum zum Mitmachen zu animieren.“
Die Anwesenden ließen sich tatsächlich nicht lumpen und so wurde im gut gefüllten Theater im Kunstquartier zu BallermannHits und Schunkelsongs kräftig mitgeklatscht. Aufgehübscht als Schlagerstars rockten die Schauspielschüler Florenze Schüssler, Valentina Schüler, Elias Füchsle und Finn Nolting mit Inbrunst die Bühne, dazwischen wurden Interviews von realen Protagonisten als Kontrast zum Eskapismus der Liedtexte eingespielt.
Als Herzensbotschaft zum Schluss ertönte am Piano ein Lied des dänischen DJs und Musikproduzenten Anders Trentemøller, in dem es heißt: „We wake up to the dream.“Am Ende gibt es wohl doch kein Entkommen.
„Schlager ist in der Mitte der Gesellschaft.“Cornelius Borgolte, Projektleiter