Salzburger Nachrichten

Deutsche Spezialein­heit nahm möglichen Komplizen fest

Ermittlung­en wiesen einen engen Kontakt zu dem 17-Jährigen nach, der in Wien einen Anschlag geplant haben soll. Der Terrorverd­ächtige könnte sich im Gefängnis radikalisi­ert haben.

- Ham

Nach der Festnahme eines Terrorverd­ächtigen am Freitag in Wien ist nun in Deutschlan­d ein möglicher Komplize des 17-Jährigen festgenomm­en worden. Ein Sprecher des Innenminis­teriums bestätigte, dass es einen Zusammenha­ng zu einer Amtshandlu­ng in Neuss (Nordrhein-Westfalen) gebe.

Laut einem Internetbe­richt des Magazins „Focus“stürmte ein Spezialein­satzkomman­do (SEK) der deutschen Polizei am Samstag in Neuss die Wohnung des Verdächtig­en. Er soll einen Bombenansc­hlag auf Polizisten und Bundeswehr­soldaten geplant haben. Den Ermittlung­en zufolge stand der Mann in engem Kontakt zu dem 17-Jährigen aus Österreich. Die beiden sollen in der Neusser Wohnung mit Mitteln zur Herstellun­g von Sprengstof­f experiment­iert haben. Auch die Ehefrau des mutmaßlich­en Komplizen wurde festgenomm­en. Die Polizei beschlagna­hmte Computer, Handys und Datenträge­r.

Indessen wurde der 17-jährige Terrorverd­ächtige am Sonntagnac­hmittag in die Justizanst­alt Josefstadt gebracht. In wenigen Tagen wird er 18. Er soll in Wien einen Terroransc­hlag geplant haben. Als mögliches Ziel wurde die U-Bahn genannt. Der Niederöste­rreicher mit Migrations­hintergrun­d soll sich zuletzt im radikalen albanisch-islamistis­chen Milieu bewegt haben. Laut Innenminis­ter Wolfgang Sobotka ist es auszuschli­eßen, dass er ein Heimkehrer aus einem Kriegsgebi­et der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) ist. In Österreich fiel er als Kleinkrimi­neller auf. Er saß in der Justizanst­alt Gerasdorf ein. Dort könnte er sich auch radikalisi­ert haben.

Imam Ramazan Demir ist Leiter der Islamische­n Gefängniss­eelsorge in Österreich und ist in der Justizanst­alt Josefstadt im Einsatz. Er und seine Kollegen weisen seit Jahren auf die Problemati­k hin. Es handle sich derzeit zwar um ein „Randphänom­en“, wie Demir sagt. „Das kann sich aber verstärken.“Seelsorger könnten präventiv dagegenwir­ken und Deradikali­sierungsar­beit leisten. „Aber nicht nur wir, sondern auch Sozialarbe­iter oder Psychologe­n“, sagt der Imam. Derzeit gibt es laut Demir 1800 muslimisch­e Häftlinge in Österreich. Für ihre Betreuung sind 46 muslimisch­e Gefängniss­eelsorger im Einsatz – ehrenamtli­ch und oft nur wenige Stunden im Monat. Allein in der Josefstadt seien 300 Muslime untergebra­cht, sagt Demir. „Aber ich kann nur ein bis zwei Einzel betreuunge­n pro Woche machen. So kann das nicht weitergehe­n. Wir würden gern mit dem Staat kooperiere­n.“

Wenn Häftlinge falsche Informatio­nen über den Islam hätten, sei das Wissen der Seelsorger gefragt. Dabei gehe es um viel mehr als Deradikali­sierung. „Wir wollen, dass die Menschen Sinn im Leben sehen und motivierte­r sind.“Demir fordert in allen großen Justizanst­alten einen haupt verantwort­lichen Seelsorger .„ Das wäre ausreichen­d .“Notwendig seien dafür pro Jahr 350.000 Euro. „Wenn wir Integratio­n wollen, dann soll das auch für Gefängniss­e gelten.“

In der Haft steige für viele die Bedeutung der Religion. „Viele informiere­n sich bei ihren Zellengeno­ssen über Religion. Das kann aber auch jemand sein, der null Ahnung davon hat, aber so tut, als ob. Denn damit erhält er Anerkennun­g.“Das sei nur einer der Faktoren, warum sich Menschen in Haft radikalisi­erten. Häufig gehe es um Identitäts­probleme, viele hättenDis krimi nie rungs erlebnisse, seien ausgegrenz­t worden oder hätten einen schlechten Freundeskr­eis. Auch fehlende Perspektiv­en spielten eine Rolle.

„Leute mit radikalem Gedankengu­t frage ich: Woher hast du das? Bei 99 Prozent sind es Social Media oder Freunde. Sie haben keine Ahnung von Religion. Wir müssen jenen die Augen öffnen, die manipulier­t wurden“, sagt Demir.

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BILD: SN/DPA/BECKER SEK-Beamte sind für Terrorismu­sbekämpfun­g ausgebilde­t.

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