Gewürze mit Chemie und Abfall gemixt
China wird wieder von einem Lebensmittelskandal erschüttert. Die Fälscher gingen äußerst professionell vor.
Zwar fanden die Polizisten auch Sternanis, Nelken und Zimt. Doch außer den vorgesehenen Zutaten stapelten sich auch säckeweise Streusalz und Chemikalien in den schmutzigen Hinterhöfen der illegalen Gewürzfabriken der chinesischen Stadt Tianjin. In Schuppen fanden sie auch die Verpackungen, in die die Arbeiter ihre Mixturen abfüllten: Auf den täuschend echt nachgedruckten Etiketten prangten die Logos von Knorr, Nestlé, Maggi und asiatischen Marken wie Lee Kum Kee und Wang Shouyi.
Chinas Geschichte der haarsträubenden Lebensmittelskandale ist wieder etwas länger. In Tianjin hat ein Ring von Lebensmittelfälschern offenbar zehn Jahre lang tonnenweise Gewürzmischungen, Suppenwürfel und Sojasauce hergestellt. Zu den Zutaten gehörten auch verbotene Farbstoffe und geröstete Abfälle. Der Umsatz betrug Medienberichten zufolge mehrere Millionen Euro im Jahr.
Das Treiben kam durch einen bekannten chinesischen Nahrungsmittelhersteller ans Licht. Die Firma Wang Shouyi unterhält eine eigene Einsatztruppe gegen Fälscher. Denn ihr Hauptprodukt, eine 13-Gewürze-Mischung, wird laufend irgendwo nachgeahmt. Bloß meist nicht so professionell und in so großem Stil wie diesmal in Tianjin. Die Ermittler von Wang Shouyi hatten gefälschte Waren aus dem Handel bis zu einer Ansammlung von 50 illegalen Fabriken in dem kleinen Ort Duliu bei Tianjin zurückverfolgt. Die Gewürzmischungen entstanden hier in verfallenen einstigen Fabriken.
Die Detektive fanden schmutzige alte Kessel, in denen Arbeiter in Straßenkleidung die Fälscherware zusammenrührten. Die „Beijing News“, deren Reporter bei der Aufdeckung dabei waren, spricht von einer „riesigen Untergrundindustrie“. Die Organisatoren des Betrugs beschäftigten Dutzende Arbeiter. Wie in einem regulären Betrieb gab es einen Einkauf und eine Buchhaltung. Und einen Sicherheitsdienst. Mit Kameras wurde jeder Weg in das Fälschernest überwacht. Rückten Polizei oder Gewerbeaufsicht an, schalteten die Arbeiter Maschinen und Licht aus und verschwanden.
Derzeit verunsichern nicht nur Gewürzfälscher die chinesischen Verbraucher. Als besonders perfide gelten Schmuggler, die Meeresfrüchte aus der radioaktiv verseuchten Region Fukushima im Nachbarland Japan nach China einführen. Die meisten Länder haben die Einfuhr von Fisch, Muscheln und Krebsen nach der Reaktorkatastrophe vor sechs Jahren gestoppt. Die Artikel sind daher extrem billig.
Die Schmuggler kaufen Krebse auf einem Großmarkt der japanischen Insel Hokkaido und verschiffen sie legal nach Vietnam. Dort werden die Krebse umgepackt und umetikettiert. In Tiefkühllastwagen windet sich die fragwürdige Ware auf Schleichwegen ins chinesische Kernland. Die Gesundheitsbehörden waren aufmerksam geworden, als in Schanghai Krebse in offensichtlich guter Qualität zu unmöglich niedrigen Preisen aufgetaucht waren.