Der Patient hat auch Eigenverantwortung
Die Aufklärungspflichten der Ärzte sind heute enorm. Das ist gut. Aber der Patient kann nicht Vollkaskosubjekt sein.
Das Arzt-Patienten-Verhältnis hat sich grundsätzlich geändert
Vor rund zwanzig Jahren leitete die Medizin ethik einen Paradigmenwechsel ein. Das„ Recht auf Ablehnung oder Zustimmung“durch den Patienten wird bestimmend. Eingriffe werden durchgeführt, wenn der Patient nach ausreichender Aufklärung zustimmt, abgesehen naturgemäß von Noteingriffen.
Dieses Recht wurde in erster Linie mit einem persönlichen Anspruch auf Autonomie begründet. Der Patient hat den ethisch und rechtlich begründbaren Anspruch, selbst zu entscheiden, welche medizinischen Maßnahmen durchgeführt werden, wobei ihm dieents ch ei dungs relevanten Informationen zu erteilen sind.
Der Patient hat damit ein Vetorecht gegenüber medizinischen Handlungen. Die Patienten-Entscheidung, die mit seiner Unterschrift wirksam wird, muss als definitive Weisung respektiert werden, insbesondere im Zusammenhang mit heilenden oder therapeutischen Maßnahmen, ganz anders bei Patienten wünschen, beispielsweise nach aktiver Sterbe hilfe, genetischer Diagnostik oder bei Abtreibungswünschen, wo rechtliche und weniger mentale Erwägungen im Vordergrund stehen. Dazu kommt bei gegebener Angst, großen Schmerzen oder drohendem Tod des Patienten noch die berechtigte Frage nach dem ausreichenden Grad an (Dispositions-)Autonomie.
Für eine ausreichende Legitimierung, um eine medizinische Maßnahme abzulehnen, muss derPati ente ins ichts-,ur teils-und ents ch ei dungs fähig sein. Er muss verstehen, worum es geht. Die Entscheidung muss frei vom Einfluss dritter Personen sein.
Von eingeschränkter Kompetenz mit anderen E in willigungs voraussetzungen wird man bei Kindern oder Erwachsenen mit mentalen Problemen ausgehen müssen. Einige Autoren definieren die Handlungs autonomie hingegen über die Freiwilligkeit, ohne dass letztendlich vom Inhalt her verschiedene Voraussetzungen vorliegen würden.
Der Einwand, ein Laie könne keine medizinischen Erfordernisse überprüfen, geht ins Leere, zumal auch ein Richter seine juristische Entscheidung so begründen muss, dass sie der Rechtssuchende oder Verurteilte verstehen kann.
Die persönliche Autonomie hat das Arzt-Patienten-Verhältnis, eines der klassischen Themen der Medizinethik, grundlegend geändert. Wir unterscheiden drei Typen: das hippokratische, das Vertrags- und das Partnerschaftsmodell. Der aufopfernde Arzt entspricht wohl nicht mehr einer modernen Vorstellung, der Dienstleister wird dem Anforderungsprofil eines Mediziners als zu prosaisch auch nicht gerecht, sodass unter Berücksichtigung der Rechtslage der beratende Experte mit Verantwortung und medizinischer Hightech-Assistenz in Idealnähe rückt.
Die Problemstellung ist auch, was der einzelne Patient braucht. Ist es vertrauenswürdige Führung, kompetente Faktenanalyse oder einfühlsames Miteinanderentscheiden? Das wären die Fragen. Der engagierte Arzt wird das richtige Maß finden, den Patienten seiner Pflicht entsprechend umfassend aufklären und als Aufklärungsziel seine Einwilligung erreichen.
Notorisch ist, dass die Aufklärungspflicht wegen der mittlerweile mäandernden Judikatur enorm ist und hohe Zeitressourcen erfordert. Damit noch lang nicht genug. Beginnt der Arzt zu bestrahlen, medikamentös zu behandeln oder gar zu schneiden, muss es lege artis vor sich gehen.
Über all dem sollte eines nicht vergessen werden: Es spricht alles für die hohe Verrechtlichung, nur ist der Patient, der in der säkularen Gesellschaft krankenversorgt wird, kein Vollkaskosubjekt, sondern hat im medizinischen Prozess durchaus ein gerüttelt Maß an Eigenverantwortung, was allzu gern übersehen wird, wenn gegen Krankenhaus betriebsgesellschaften Verfahren mit hohen Streitwerten angestrengt werden.
Eines darf nämlich auf dem komplizierten Feld der Medizin nicht verloren gehen, nämlich die Natürlichkeit, weil sich sonst keine Ärztin und kein Arzt mehr trauen werden, einen heilungsbedürfti gen Menschen auch nur anzugreifen. Grundsätzlich kann dem medizinischen Personal vertraut werden, zumal es nach dem Nicht-Schaden-Prinzip („Primum non nocere“) zu arbeiten hat.