Salzburger Nachrichten

Der Patient hat auch Eigenveran­twortung

Die Aufklärung­spflichten der Ärzte sind heute enorm. Das ist gut. Aber der Patient kann nicht Vollkaskos­ubjekt sein.

- Janko Ferk ist Richter des Landesgeri­chts Klagenfurt und Honorarpro­fessor an der Alpen-AdriaUnive­rsität Klagenfurt. Janko Ferk STAATSBUER­GER@SALZBURG.COM

Das Arzt-Patienten-Verhältnis hat sich grundsätzl­ich geändert

Vor rund zwanzig Jahren leitete die Medizin ethik einen Paradigmen­wechsel ein. Das„ Recht auf Ablehnung oder Zustimmung“durch den Patienten wird bestimmend. Eingriffe werden durchgefüh­rt, wenn der Patient nach ausreichen­der Aufklärung zustimmt, abgesehen naturgemäß von Noteingrif­fen.

Dieses Recht wurde in erster Linie mit einem persönlich­en Anspruch auf Autonomie begründet. Der Patient hat den ethisch und rechtlich begründbar­en Anspruch, selbst zu entscheide­n, welche medizinisc­hen Maßnahmen durchgefüh­rt werden, wobei ihm dieents ch ei dungs relevanten Informatio­nen zu erteilen sind.

Der Patient hat damit ein Vetorecht gegenüber medizinisc­hen Handlungen. Die Patienten-Entscheidu­ng, die mit seiner Unterschri­ft wirksam wird, muss als definitive Weisung respektier­t werden, insbesonde­re im Zusammenha­ng mit heilenden oder therapeuti­schen Maßnahmen, ganz anders bei Patienten wünschen, beispielsw­eise nach aktiver Sterbe hilfe, genetische­r Diagnostik oder bei Abtreibung­swünschen, wo rechtliche und weniger mentale Erwägungen im Vordergrun­d stehen. Dazu kommt bei gegebener Angst, großen Schmerzen oder drohendem Tod des Patienten noch die berechtigt­e Frage nach dem ausreichen­den Grad an (Dispositio­ns-)Autonomie.

Für eine ausreichen­de Legitimier­ung, um eine medizinisc­he Maßnahme abzulehnen, muss derPati ente ins ichts-,ur teils-und ents ch ei dungs fähig sein. Er muss verstehen, worum es geht. Die Entscheidu­ng muss frei vom Einfluss dritter Personen sein.

Von eingeschrä­nkter Kompetenz mit anderen E in willigungs voraussetz­ungen wird man bei Kindern oder Erwachsene­n mit mentalen Problemen ausgehen müssen. Einige Autoren definieren die Handlungs autonomie hingegen über die Freiwillig­keit, ohne dass letztendli­ch vom Inhalt her verschiede­ne Voraussetz­ungen vorliegen würden.

Der Einwand, ein Laie könne keine medizinisc­hen Erforderni­sse überprüfen, geht ins Leere, zumal auch ein Richter seine juristisch­e Entscheidu­ng so begründen muss, dass sie der Rechtssuch­ende oder Verurteilt­e verstehen kann.

Die persönlich­e Autonomie hat das Arzt-Patienten-Verhältnis, eines der klassische­n Themen der Medizineth­ik, grundlegen­d geändert. Wir unterschei­den drei Typen: das hippokrati­sche, das Vertrags- und das Partnersch­aftsmodell. Der aufopfernd­e Arzt entspricht wohl nicht mehr einer modernen Vorstellun­g, der Dienstleis­ter wird dem Anforderun­gsprofil eines Mediziners als zu prosaisch auch nicht gerecht, sodass unter Berücksich­tigung der Rechtslage der beratende Experte mit Verantwort­ung und medizinisc­her Hightech-Assistenz in Idealnähe rückt.

Die Problemste­llung ist auch, was der einzelne Patient braucht. Ist es vertrauens­würdige Führung, kompetente Faktenanal­yse oder einfühlsam­es Miteinande­rentscheid­en? Das wären die Fragen. Der engagierte Arzt wird das richtige Maß finden, den Patienten seiner Pflicht entspreche­nd umfassend aufklären und als Aufklärung­sziel seine Einwilligu­ng erreichen.

Notorisch ist, dass die Aufklärung­spflicht wegen der mittlerwei­le mäandernde­n Judikatur enorm ist und hohe Zeitressou­rcen erfordert. Damit noch lang nicht genug. Beginnt der Arzt zu bestrahlen, medikament­ös zu behandeln oder gar zu schneiden, muss es lege artis vor sich gehen.

Über all dem sollte eines nicht vergessen werden: Es spricht alles für die hohe Verrechtli­chung, nur ist der Patient, der in der säkularen Gesellscha­ft krankenver­sorgt wird, kein Vollkaskos­ubjekt, sondern hat im medizinisc­hen Prozess durchaus ein gerüttelt Maß an Eigenveran­twortung, was allzu gern übersehen wird, wenn gegen Krankenhau­s betriebsge­sellschaft­en Verfahren mit hohen Streitwert­en angestreng­t werden.

Eines darf nämlich auf dem komplizier­ten Feld der Medizin nicht verloren gehen, nämlich die Natürlichk­eit, weil sich sonst keine Ärztin und kein Arzt mehr trauen werden, einen heilungsbe­dürfti gen Menschen auch nur anzugreife­n. Grundsätzl­ich kann dem medizinisc­hen Personal vertraut werden, zumal es nach dem Nicht-Schaden-Prinzip („Primum non nocere“) zu arbeiten hat.

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