Hirschers Traumlauf machte die Kitzbühel-Show perfekt
Mit befreitem „Rock ’n’ Roll“raste Marcel Hirscher zum Triumph im Slalom. Während Henrik Kristoffersen ausschied, schrieb Dave Ryding britische Skigeschichte.
Es war eine Mischung aus Jubel und Staunen, als Marcel Hirscher in den Hexenkessel des Zielstadions in Kitzbühel einbog. Die Anzeigetafel wies einen Vorsprung von 1,92 Sekunden aus, mit denen er als Halbzeit-Neunter die Konkurrenz im zweiten Durchgang zu Statisten degradierte. Und da der bisherige Slalomdominator Henrik Kristoffersen bereits in Lauf eins gescheitert war und auch die 1,02 Sekunden Vorsprung des britischen Sensationsmanns Dave Ryding bei Weitem nicht ausreichten, sorgte die Ausnahmeerscheinung für ein rot-weiß-rotes Happy End bei den 77. Hahnenkammrennen.
„Das war von einer anderen Welt“, fasste Marc Digruber den Lauf von Hirscher zusammen. War der Ritt einer der besten, die man am Ganslernhang je gesehen hat? „Das mag ich nicht beurteilen, aber es war mein Maximum“, sagte Hirscher. Keiner war auf dem ohnehin schon schwierigen Ganslernhang, der mit Eis, vielen Rippen und tückischer Kurssetzung verschärft worden war, ohne Fehler unterwegs. Nur dem Salzburger gelang ein wahrer Traumlauf. „Unglaublich. Ihr macht das Rennen zu dem, was es ist“, sprach Hirscher nach seinem 42. Weltcupsieg, dem zweiten in Kitzbühel nach 2013, mitten in den Jubel der 25.000 Zuschauer. David Alaba, Franck Ribéry und Andreas Gabalier gaben als einige der vielen Prominenten auf der Tribüne der Hirscher-Show den Zuckerguss.
Als „überraschend, verrückt, zufrieden“beschrieb Hirscher den Triumph. Überrascht von sich selbst, da er bis dato die Selbstverständlichkeit im Slalom vermisst hatte. Die Entscheidung, im zweiten Lauf voll zu riskieren, habe ihm der Ausfall von Kristoffersen im Hinblick auf den Gesamtweltcup erleichtert. „Und als Neunter gibt es sowieso nur ,all in‘ mit Rock ’n’ Roll“, sagte Hirscher, der in zehn Jahren noch nie einen schwierigeren Kitzbühel-Slalom erlebt hatte.
Dabei hatte er noch zwischen den beiden Durchgängen ein Rätsel zu lösen. „Vom Gefühl her war der erste nicht schlecht, aber als ich den Rückstand gesehen habe, war das schon eine Watschn. Warum, habe ich nicht genau gewusst.“Hirscher setzte daraufhin auf denselben Ski, mit dem er schon in Wengen Laufbestzeit aufgestellt hatte. Die Kombination mit einem befreiten Risiko-Lauf machte den Triumph perfekt. „Kitzbühel zu gewinnen hat definitiv einen höheren Stellenwert als manch andere Rennen. Von dem her werde ich diesen Sieg ewig in Erinnerung behalten.“
Während Hirscher einmal mehr seinen Status als bester Skirennläufer der Welt untermauerte, lieferte Dave Ryding am Sonntag die größte Überraschung. Der 30-jährige Engländer sorgte als Zweiter für das beste Ergebnis eines Briten in der Geschichte des Ski-Weltcups. Nur Konrad Bartelski gelang vor 36 Jahren bei der Abfahrt in Gröden ein ebenso historischer Ritt. „Als Engländer ist es ein Erfolg, wenn du zu den besten 30 gehörst. Jetzt stehe ich hier auf dem Podest. Das bedeutet mir die Welt“, sagte Ryding, der als Sechster in Levi und Siebter in Zagreb zuvor in die erweiterte Weltspitze gefahren war.
Das Podium komplettierte der Russe Alexander Khoroshilov. Hinter Hirscher lieferten die Österreicher ein durchwachsenes Rennen. Marco Schwarz dürfte sich als Achter das zweite von vier WM-Tickets gesichert haben. Dahinter rittern in Schladming mit Marc Digruber (17.), Michael Matt (25.) sowie Manuel Feller und Christian Hirschbühl (beide ausgefallen) vier Fahrer um zwei Plätze.
Nur 46 von 73 Läufer kamen im ersten Durchgang in die Wertung. Das prominenteste „Opfer“war Kristoffersen. Der Norweger hakte seinen Ausfall aber mit dem Selbstvertrauen eines Seriensiegers schnell ab. „Die Skispitzen überkreuzt und die Kontrolle verloren. Das passiert.“Das passiert ihm höchst selten. Genauer gesagt war dies erst sein vierter Ausfall in 81 Weltcuprennen und sein erster seit mehr als zwei Jahren in Zagreb. Dem gegenüber stehen 14 Siege sowie 29 Podestplätze. „Ich weiß, dass ich schnell bin. Daher mache ich mir gar keinen Kopf. Außerdem kommt ja schon am Dienstag die nächste Chance in Schladming.“
Gedanken an den Gesamtweltcup hatte der 22-Jährige schon vorher nicht verschwendet: „Ich bin 300 Punkte (nun sind es 388, Anm.) hinter Marcel. Der Gesamtweltcup ist kein Thema für mich. Wenn alles nur halbwegs normal läuft, holt sich Marcel seine sechste Kugel.“Im Slalomweltcup zeichnet sich weiter ein Duell der beiden Topstars ab.
„Der Lauf war von einer anderen Welt.“Marc Digruber, Hirschers Teamkollege