Tochter versuchte vergeblich, Obduktion des Vaters zu verhindern
Der Mann hatte zu Lebzeiten stets betont, dass er keine Öffnung seiner Leiche wolle. Der Wunsch des Vaters hätte respektiert werden müssen, meint seine Tochter.
SALZBURG. Die Obduktion ihres Vaters verfolge sie bis in den Schlaf, sagt eine 44-jährige Salzburgerin aus dem Flachgau. „Ich träume davon, wie der Körper meines Vaters aufgeschnitten wird.“Der Mann war mit einem Gehirntumor in die ChristianDoppler-Klinik eingeliefert worden und ist vier Monate später im Alter von 74 Jahren verstorben. Nur durch Zufall habe sie einen Tag nach dem Tod ihres Vaters beim Bestatter erfahren, dass der Leichnam zur Obduktion in die Gerichtsmedizin gebracht worden sei. „Das war ein Schock für mich, denn mein Vater hat immer gesagt, dass er mit einem unversehrten Körper bestattet werden möchte.“
Das Thema war in der Familie zur Sprache gekommen, nachdem eine Verwandte verfügt hatte, ihren Körper nach ihrem Tod der Forschung zur Verfügung zu stellen. Sie habe umgehend in der Klinik angerufen, betont die Flachgauerin. „Ich habe gefleht, von der Obduktion Abstand zu nehmen.“Der Leichnam sei aber schon in die Gerichtsmedizin ge- bracht worden und zwei Stunden später obduziert worden.
Die behandelnde Ärztin auf der Neurologie hatte die klinische Obduktion veranlasst. Eine solche Obduktion wird durchgeführt, wenn die Todesursache nicht eindeutig feststeht. Wie sich herausstellte, war der Mann im konkreten Fall an einer Lungenentzündung in Folge des Tumors verstorben.
Die Frau sei sehr wohl über die Obduktion informiert worden, sagt Kliniksprecherin Mick Weinberger. „Es haben sogar mehrere Ärzte mit ihr gesprochen.“
Das sei richtig, sagt die Flachgauerin. „Mit mir wurde aber erst offen geredet, nachdem ich aktiv geworden bin und versucht habe, die Obduktion zu verhindern.“Sie finde es tragisch, dass ein naher Angehöriger obduziert werde, obwohl er sich zu Lebzeiten klar dagegen verwahrt habe.
Für jede Klinik seien Obduktionen Teil des Qualitätsmanagements, erklärt der leitende Oberarzt auf der Intensivstation der Neurologie, Helmut Novak. Man müsse Sicherheit bekommen, ob sich eine Diagnose bewahrheite. Oft kämen Krankheiten in einer Familie gehäuft vor. Die Obduktion helfe auch zu erkennen, ob eine Krankheit genetisch determiniert sei. Im Vorjahr sind auf der Intensivstation der Neurologie mehr als 30 Patienten verstorben, in rund der Hälfte der Fälle wurde obduziert.
Obwohl nicht die Pflicht bestehe, sei es üblich, Angehörige von der Notwendigkeit einer Obduktion zu informieren, betont Novak. „Ich spreche das immer offen an und nehme mir Zeit für ein Gespräch.“Zeit, die man oft eigentlich nicht habe. Angehörige seien nach dem Tod eines geliebten Menschen in einer Ausnahmesituation. Ein solches Gespräch müsse daher besonders einfühlsam geführt werden. Sollten Bedenken bestehen, könne man sie in Ruhe erörtern und abwägen, ob man in Ausnahmefällen von einer Obduktion Abstand nehme. In so einem Fall müsse
„Obduktionen sind ein wichtiger Teil des Qualitätsmanagements.“Helmut Novak, Oberarzt
man die Hintergründe und Argumente sehr genau beleuchten.
Bedenken von Hinterbliebenen gebe es mitunter aus religiösen Gründen. So habe etwa im Islam die Unversehrtheit des Leichnams große Bedeutung.
Eigentlich habe man als Angehöriger jedoch keine Möglichkeit, eine Obduktion zu verhindern, erklärt Novak. Er finde es in diesem Fall aber bemerkenswert, wie sehr sich die Tochter für ihren verstorbenen Vater einsetze.
Ein Angehöriger habe zwar kein Recht auf Information, es sei aber Usus, ein Gespräch zu führen, bei dem Bedacht auf Einwände genommen werden könne, sagt die Leiterin der Salzburger Patientenvertretung, Mercedes Zsifkovics. Es komme kaum vor, dass Angehörige vorstellig würden, weil sie eine Obduktion ablehnten. Eher passiere das Gegenteil. „Da beklagen Angehörige, dass nicht obduziert wurde.“Hintergrund sei oft die Vermutung, dass einem Arzt ein Fehler unterlaufen sei.
Verwundert ist Novak, dass die Frau auf ihren Wunsch den Obduktionsbericht erhalten hat. „Diesen Bericht bekommen Angehörige grundsätzlich nicht zu sehen, er ist Teil des Krankenberichts und geht an den Hausarzt.“
Sie finde es jedenfalls pietätlos, „den ganzen Körper auszuräumen, jedes Organ abzuwiegen und Teile davon zu entnehmen“, sagt die Flachgauerin. Es schmerze sie, dass ihr Vater ohne Gehirn beigesetzt worden sei. Das Gehirn wurde in Formalin eingelegt. Normalerweise wird ein Organ sechs Monate aufbewahrt.
In solchen Fällen werde das Gehirn im neuropathologischen Institut in Linz weiter untersucht, erklärt Novak. Das abschließende Untersuchungsergebnis werde mit den Angehörigen besprochen. „Für viele Menschen ist diese abschließende Besprechung wichtig, damit sie den Todesfall innerlich abschließen können.“Immer wieder komme es vor, dass Angehörige, die einen geliebten Menschen verloren hätten, die Information über die Obduktion ausblendeten. Sie habe nichts ausgeblendet, sagt die Tochter des Verstorbenen. „Ich weiß genau, wer wann mit mir gesprochen hat.“
„Es ist Usus, mit den Angehörigen zu sprechen.“ Mercedes Zsifkovics, Leiterin der Patientenvertretung