Österreich schickt mehr Geld in Kriegsländer
In den Irak und nach Afghanistan sollen mehr Gelder fließen. Damit sollen auch weniger Flüchtlinge aus den Krisenregionen kommen. Doch der Plan könnte fehlschlagen.
WIEN. Weniger Flüchtlinge sollen kommen. Das steht auf der Agenda des österreichischen Außenministers Sebastian Kurz (ÖVP) ganz oben. Geht es nach Kurz, so soll das vor allem mittels „Hilfe vor Ort“passieren. Österreich stockt deshalb seine Mittel für die Hilfe in den Herkunftsländern der Flüchtlinge in den kommenden Jahren auf.
In den Irak und nach Afghanistan wird mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) fließen. So gehen in den nächsten zwei Jahren acht Millionen Euro in den Nordirak. „Mit diesen Mitteln sollen vor allem kleinere Städte wiederbelebt werden, die aus den Fängen des IS befreit worden sind“, erklärt der Geschäftsführer der ADA, Martin Ledolter. Die ADA (Austrian Development Agency) verwaltet die österreichischen EZA-Gelder und will in den Kriegs- und Krisengebieten vor allem mit Organisationen vor Ort kooperieren. Rotes Kreuz und das EZA-Programm der Vereinten Nationen (UNDP) sollen die Partner sein. „Wir versuchen mit den Projekten auch die Situation für Rückkehrer in diese Regionen erträglicher zu machen.“Und diese werden immer mehr. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) habet bereits mehr Rückkehrer in den Irak als Flüchtlinge, die von dort Richtung Europa fliehen, verzeichnet. „Die Menschen müssen in ihrer Heimat zumindest eine Basisinfrastruktur finden“, sagt Ledolter. Für Strom, Wasser, Nahrung, funktionierende Straßen und Schulen sollen die EZA-Gelder ausgegeben werden. „Im nordirakischen Erbil wollen wir medizinisch notwendige Projekte für Verwundete, wie eine Reha-Klinik, unterstützen.“
Auch in andere Krisengebiete soll Geld fließen. Nach Afghanistan einmalig vier Millionen Euro. Die österreichischen EZA-Experten wissen, dass Afghanistan ein schwieriges Einsatzland ist. „Wir freuen uns über die Erhöhung der bilateralen Mittel.“Das sei eine Trendwende. „Aber die Gelder gehen in Länder, in denen Österreich keine Struktur und keine Erfahrung hat“, sagt die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Globale Verantwortung, Annelies Vilim. Sie vertritt die Interessen österreichischer Nichtregierungsorganisationen, die in der EZA und der humanitären Hilfe aktiv sind. „EZA funktioniert nicht einfach so, dass irgendwohin Geld geschickt wird und dort wird automatisch alles besser.“Es gehe vielmehr um die Lösung struktureller Problemen und die Umsetzung nachhaltiger Konzepte. „Eine EZA-Politik je nach Krise nutzt in der Innenpolitik und den Schlagzeilen, nachhaltige EZA sieht anders aus“, sagt Vilim. „Warum konzentriert sich Österreich nicht auf die Schwerpunktländer, in denen wir seit Jahren aktiv sind und mit unserer Hilfe mehr erreichen können?“
Auch viel größere EZA-Budgets sind kein Garant für eine nachhaltige Entwicklung. Andere Länder schicken weit mehr EZA-Gelder nach Afghanistan, z. B. Deutschland tmit jährlich 300 Millionen Euro. Mit mäßigem Erfolg. „In solchen instabilen und von Konflikten geschüttelten Ländern braucht es zunächst politische Lösungen, da kann die EZA nur beschränkt zu politischer Stabilität beitragen und Menschen Lebensperspektiven aufzeigen“, sagt Vilim.
Denn Afghanistan ist noch immer nicht sicher, auch nicht für Helfer. Der Kampf gegen Korruption und die Überprüfung von Projekten lassen sich bei der Sicherheitslage nur schwer bewerkstelligen. Deutschland hat bis zu 1,7 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre zugesagt. Experten sehen darin den Versuch, den Flüchtlingsstrom einzudämmen.
Doch mehr EZA-Gelder bedeuten oft nicht weniger Migration. Manchmal passiert sogar das Gegenteil. Die Migrationsforschung ist sich heute einig, dass Migration erst ab einem gewissen Kapital möglich ist. Sprich: Nicht die ärmsten der Armen können migrieren, sondern vor allem jene, die auch gewisse Kosten decken können.
Eine weitere Taktik europäischer Länder ist es, die EZA-Gelder als Druckmittel einzusetzen. Wenn etwa die Herkunftsländer von Flüchtlingen keine Rückkehrabkommen abschließen. Außenminister Kurz hat diese Botschaft zuletzt Richtung Marokko gesandt. Das Drohpotenzial ist aber im besten Fall auf EU-Ebene gegeben. Aus österreichischer Sicht ist das Druckmittel zu gering. 500.000 Euro verzeichnet Österreich als EZA-Geld in Richtung Marokko. Der größte Teil wird dabei für Austauschstudenten in Österreich ausgegeben.
„Die Menschen müssen in ihrer Heimat eine Basisinfrastruktur finden.“Martin Ledolter, ADA-Geschäftsführer