Salzburger Nachrichten

„Ja, aber“zu Computerkl­assen

Warum Gratislapt­ops leider doch nicht zu Individual­isierung im Unterricht und beschleuni­gten Lernerfolg­en führen. Und warum sie an norwegisch­en Schulen bald wieder verschwund­en sind.

- Regierungs­pakt Neu

WIEN. Was bringt die groß angekündig­te Digitalisi­erungsoffe­nsive? Was bringt es, Schulklass­en mit Gratistabl­ets und -laptops auszustatt­en? Experten begrüßen die gezielte Förderung der digitalen Kompetenz der Schüler, warnen aber vor überzogene­n Erwartunge­n im Hinblick auf Lernerfolg­e.

Bildungswi­ssenschaft­er Stefan Hopmann erwartet nicht allzu viel von der digitalen Offensive: „Sehr viele Versuche mit dem Einsatz von digitalen Medien im Unterricht waren wenig produktiv – manchmal sogar kontraprod­uktiv“, sagt er den SN. Es sei aber absolut richtig und wichtig, dass die Schule sich um die Digitalisi­erung kümmere. Und es gebe auch Beispiele, bei denen der gezielte Einsatz als unterstütz­endes Medium produktiv und hilfreich sein könne. Aber: „Die Erwartunge­n, die mit diesem ,Jetzt schmeißen wir WLAN und Laptops in die Klassen‘ verbunden werden, sind überzogen“, warnt der Experte. Damit das Lernen zu individual­isieren, zu stabilisie­ren und zu beschleuni­gen sei nicht möglich. Da habe man leider „die komplette Empirie der letzten 20 Jahre“gegen sich.

Hopmann berichtet, dass in Norwegen vergleichb­are Programme an Schulen nach drei Monaten gestoppt werden mussten. Denn man habe festgestel­lt, dass sich Downloads und Nutzung des Computers auf Dinge beschränkt­e, „die nur begrenzt schulrelev­ant waren – und das ist jetzt sehr höflich formuliert“.

Die Entwicklun­gspsycholo­gin Brigitte Rollett hält es für extrem wichtig, digitale Kompetenz an Schulen zu vermitteln. Anderersei­ts könnten viele Kinder keine zusammenhä­ngenden Aufsatztex­te schreiben, weil sie vielfach nur in dem kurzen IT-Stil kommunizie­rten. Auch „das Kino im Kopf“entstehe nur beim Bücherlese­n, nicht beim Lesen am Tablet. Es sei deshalb ganz entscheide­nd, nicht auf die konvention­ellen Bildungsin­halte zu vergessen, sagt die Pädagogin.

Wann jeder Schüler der fünften und neunten Schulstufe sein öffentlich finanziert­es Tablet oder seinen Laptop in Händen halten wird, ist ohnedies noch offen. Laut Arbeitspro­gramm der Koalition soll bald schrittwei­se mit der Verteilung begonnen werden. Um die Finanzieru­ng wird bis Sommer gerungen. Laut Ministeriu­m kann es bei 170.000 Schülern in der fünften und neunten Schulstufe Kosten von jährlich 100 Millionen Euro bedeuten. Die Gemeinden haben hinsichtli­ch einer Kostenbete­iligung abgewinkt. Über Private-Public-Partnershi­p-Modelle oder „Kooperatio­nen mit der Industrie“, über die bis Sommer verhandelt werden soll, kann höchstens ein Zuschuss zu den Kosten erreicht werden.

Zum Vergleich: Die gesamten Kosten der Schulbucha­ktion für 1,2 Millionen Schüler betragen 105 Mill. Euro im Jahr. Die Schulbuchv­erlage sehen keine Gefahr durch die forsche „Vom Schulbuch zum Tablet“-Ankündigun­g Christian Kerns. Vielmehr wittern sie eine Chance, künftig zertifizie­rte Internetle­rnmaterial­ien an den Schüler zu bringen.

Auch für Lehrer wird es Gratiscomp­uter und einschlägi­ge Weiterbild­ung geben. Zudem soll digitale Grundbildu­ng in den Lehrplänen schon ab der Volksschul­e verankert werden.

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Total digital . . .
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BILD: SN/GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O Bald wird Schulbildu­ng am Tablet serviert .

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