Salzburger Nachrichten

Castingsho­w im Weißen Haus

Präsident Donald Trump präsentier­te zum Abendferns­ehen seinen Wunschrich­ter.

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WASHINGTON. Donald Trump genoss die Aufmerksam­keit sichtlich. In einem Auftritt, der einer Castingsho­w sehr ähnlich war, präsentier­te der US-Präsident seinen Kandidaten für den freien Posten im Supreme Court, dem Höchstgeri­cht der USA. Auf den ersten Blick wirkt Neil Gorsuch (49) wie das fleischgew­ordene Kontrastpr­ogramm zum bombastisc­hen Präsidente­n. Er spricht in angemessen­em Ton, wirkt bescheiden und bestens auf das Amt vorbereite­t. Er hat alles, was ein Kandidat für einen Posten im Höchstgeri­cht, dessen neun Mitglieder auf Lebenszeit bestellt werden, typischerw­eise mitbringen sollte. Seine Ausbildung begann als Jesuiten-Zögling. Die Jurisprude­nz studierte er an gleich drei Eliteunive­rsitäten: an der New Yorker Columbia University, im britischen Oxford und – im selben Jahrgang wie Barack Obama – an der Harvard Law School.

Anschließe­nd arbeitete Gorsuch als Referendar für den 2002 verstorben­en Verfassung­srichter Byron White, ein Demokrat aus seiner Heimat Colorado. Dann wechselte er zu dem Republikan­er Anthony M. Kennedy, der bis heute auf der Richterban­k sitzt. Der begeistert­e Fliegenfis­cher und Skifahrer Gorsuch sammelte Erfahrung in einer privaten Kanzlei in Washington, legte einen Zwischenst­opp im Justizmini­sterium ein und wechselte schließlic­h als Bundesrich­ter nach Denver/Colorado. Auf Vorschlag George W. Bushs bestätigte der Senat das juristisch­e Ausnahmeta­lent ohne größere Kontrovers­en einstimmig. Mit seinen messerscha­rfen Argumentat­ionen und seiner charmanten Art verdiente sich Gorsuch selbst den Respekt von Kollegen, die mit seiner juristisch­en Philosophi­e wenig anfangen können.

Wie Antonin Scalia, der im Februar 2016 verstarb und dessen Sitz er nun einnehmen soll, orientiert sich Gorsuch bei der Auslegung der Verfassung an den Worten des Textes, nicht an der Intention der Verfassung­sväter. Das führte ihn in den zehn Jahren als Bundesrich­ter stets zu verlässlic­h konservati­ven Urteilen. Vor Scalias Tod gab es vier konservati­ve und vier liberale Richter, mit dem gemäßigt-konservati­ven Anthony Kennedy in der Mitte. Er war häufig das Zünglein an der Waage. In wichtigen sozialen Fragen stimmte er meistens mit den progressiv­eren Kollegen. In den kommenden Jahren könnte sich die Balance weiter zu den Konservati­ven verschiebe­n, da mehrere liberale Richter schon sehr alt sind.

In normalen Zeiten wäre Gorsuch ein traditione­ller Kandidat der Republikan­er. Doch dies sind keine normalen Zeiten. Trump sagte bei der Live-Vorstellun­g zur besten Sendezeit im Abendferns­ehen: „Sie können 50 Jahre lang aktiv sein. Ihre Urteile können 100 Jahre oder länger halten.“Die rechte Orthodoxie soll auf lange Zeit festgeschr­ieben werden. Dies wird jedenfalls gelingen, sollte Trump einen zweiten Richterstu­hl neu besetzen können.

Die derzeit nirgendwo an der Macht beteiligte­n Demokraten fürchten, dass ein stramm konservati­ves Höchstgeri­cht Donald Trump nicht Einhalt gebieten kann.

So kündigte die Opposition ihren Widerstand gegen Gorsuch an. Die Bestellung des Juristen muss vom Senat bestätigt werden. Hunderte Demonstran­ten vor dem Verfassung­sgericht verlangten die Blockade des Kandidaten. Die Alliance for Justice meint, Gorsuch habe nicht das Format, „die gefährlich­en Impulse dieser Regierung“in Schach zu halten.

Ihm könnte nun dieselbe Behandlung widerfahre­n wie Barack Obamas Kandidaten für den Job. Der mindestens so qualifizie­rte Bundesrich­ter Merrick Garland erhielt über ein ganzes Jahr lang nicht einmal eine Anhörung. Die Republikan­er blockierte­n eine Bestellung.

Das wollen nun auch die Demokraten tun. Ihr Problem besteht darin, dass die Republikan­er mit ihrer Mehrheit die Spielregel­n im Senat ändern können – womit eine Blockade nicht mehr möglich wäre.

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BILD: SN/APA/AFP/NICHOLAS KAMM Neil Gorsuch ist der Kandidat Donald Trumps für den freien Posten am amerikanis­chen Höchstgeri­cht.

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