Salzburger Nachrichten

Der Blick in die eigene Nazifamili­e schmerzt

- Friedemann Derschmidt, Academy-Bar, Salzburg, 2. 2., 19 Uhr. Sacha Batthyany, Literaturh­aus Salzburg, 7. Februar, 19.30 Uhr.

Schmerzhaf­t ist der Blick, den Friedemann Derschmidt wagt. Wenn’s ums Vergessen und Verdrängen von Gräuel geht, wird es dann besonders heikel, wenn es sich um die eigene Familie dreht. Genau in deren Abgründe blickt Derschmidt. Dazu begann der 1967 in Salzburg geborene Künstler ein Experiment. Er hatte einen guten Anlass. Sein Urgroßvate­r war Heinrich Reichel, führender Rassenhygi­eniker und einer der Ersten, der die Rassenhygi­ene in Studienplä­ne einbaute. Viele Familienmi­tglieder Derschmidt­s waren – im Gegensatz zu seinem Urgroßvate­r – auch Mitglieder der NSDAP und auch Offiziere bei der SA und der SS. Derschmidt spürt den Verwicklun­gen in die nationalso­zialistisc­he Ideologie nach und fragt vor allem, wie es dabei mit einer möglichen „Vererbung“solcher Ideologien aussieht.

Dazu entstand eine Website. Dort wuchs mit der Zeit eine weitverzwe­igte Mindmap, die Anhaltspun­kte auf mögliche Gründe gibt, warum eine Familie so tief und generation­enübergrei­fend in die NSIdeologi­e verstrickt war. Aus diesem Projekt mit dem Titel „Reichel komplex“wurde mittlerwei­le das Buch „Sag du es deinem Kinde!“.

Es wird anschaulic­h, dass – wie einst Hannah Arendt festgestel­lt hatte – keineswegs nur Monster und Gangster für die Naziverbre­chen zuständig waren. Und es waren auch nicht irgendwelc­he Anderen. Es waren Väter und Mütter, Tanten und Onkel – und über sie wird in der Familie geschwiege­n.

Ähnliches wie Derschmidt tut Sacha Batthyany in seinem Buch „Und was hat das mit mir zu tun?“, das für den Debütpreis des Österreich­ischen Buchpreise­s 2016 nominiert war und kommende Woche in Salzburg vorgestell­t wird. Während auf dem Schloss seiner Großtante im März 1945 in Rechnitz ein Fest für die lokale NS-Prominenz abgehalten wurde, wurden in derselben Nacht ganz in der Nähe ungarischj­üdische Zwangsarbe­iter erschossen. Vor diesem familiären Hintergrun­d wächst eine Geschichte zu den Fragen: „Welche Erzählunge­n lässt man zu? Welche Wahrheiten zimmert man über sich? Was gibt man weiter und worüber schweigt man lieber?“ Lesungen:

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