Keine Frage des Alters
Für sie sind Jahre kein Kriterium: Zwei „neue“ältere Arbeitnehmer und ihr Chef sagen warum.
SALZBURG. Spricht man mit Andreas Schlosser über ältere Arbeitnehmer, blickt er kurz über seine rechte Schulter, ob da nicht hinter ihm jemand gemeint sein könnte. Der Elektronikentwickler wird im Juni 59 Jahre alt. Seinen Job in einem jungen Team bei AB Mikroelektronik in Salzburg hat er vor eineinhalb Jahren bekommen, als er nach zwei Jahren in Singapur aus privaten Gründen nach Österreich zurückwollte. Er hatte in Österreich ein einziges Vorstellungsgespräch absolviert und dann den Job in der Tasche. Von Freunden, die über 50 sind, wisse er aber, dass das nicht immer so funktioniere.
Schlosser und sein Kollege Josef Mertel – der Qualitätsleiter in der Kundenbetreuung wird heuer 56 und ist seit einem Jahr bei AB – sind sich einig: Es komme auf die Flexibilität des Einzelnen und die Bereitschaft an, immer wieder Neues zu lernen. Und schließlich spiele auch das eigene Engagement eine Rolle.
Bei Mertel schaut Flexibilität so aus: Er pendelt zwischen Ebenthal in Kärnten und Salzburg. Seine Frau blockt ihre Arbeit, abwechselnd lebe man gemeinsam in Kärnten beziehungsweise in Salzburg, erzählt er. 2013 musste er sich einen neuen Job suchen, weil die britische Zentrale seines damaligen Arbeitgebers in Österreich dichtmachte. Daraufhin pendelte der Kärntner zwei Jahre zwischen Ebenthal und Voitsberg zum Auspuff-Erzeuger Sebring. Jeden Tag eineinhalb Stunden hin und eineinhalb Stunden retour. Da beschloss er, sich einen neuen Job zu suchen. Salzburg liegt zwar noch weiter weg als Voitsberg, aber nun muss er nicht mehr täglich pendeln, und der Job tauge ihm sehr, sagt er.
Warum Ältere in der Arbeitswelt und der Gesellschaft oft wenig zählten, verstehen Mertel und Schlosser nicht. Leistung sei doch keine Frage des Alters, sagen sie. Schlosser meint, seine jungen Kollegen seien zwar experimentierfreudiger, aber er könne sich die Dinge mit seiner langjährigen Erfahrung und seinem Wissen anschauen und damit auch Umwege oder Fehler frühzeitig erkennen. Die Mischung finde er gut. „Ob es in einem Team klappt oder nicht, ist nicht an den Lebensjahren festzumachen.“Dass oft behauptet werde, die Älteren könnten bei all den technologischen Innovationen nicht mehr mithalten, hält Schlosser für Unsinn. Denn wer wie er einen technischen Job mache, sei geradezu gezwungen, auch das Neue aufzunehmen. Darum rät er allen, die arbeitslos sind, sich ständig zu informieren, was es in ihrer Branche Neues gibt.
Blickt man in die Wirtschaft oder in die Politik, sieht man, dass meist Menschen über 50 das Sagen und die Macht haben. Die Gesellschaft zollt ihnen Respekt. Wird jedoch jemand über 50 arbeitslos, scheint er sich in etwas anderes zu verwandeln. In ein Problem, schwer vermittelbar. Der Chef des Arbeitsmarktservice Johannes Kopf nennt das „instant aging“. Mertel und Schlosser können da nur den Kopf schütteln, denn in ihrem Selbstverständnis gibt es das Wort „älterer Arbeitnehmer“nicht. „Ich fühle mich nicht alt“, sagt Mertel, und die Art, wie er es sagt, drückt aus, als welche Zumutung er es empfindet, das überhaupt sagen zu müssen.
Und der Chef? Hermann Hauser (45) leitet die Elektronikschmiede AB Mikroelektronik, die zum TTElectronics-Konzern gehört, in dem er auch weltweit für alle Standorte der Division Transport, Sensoren und Kontrolle mit 1800 Mitarbeitern zuständig ist. Er hat ein Problem: AB soll von 88 Mill. Euro Umsatz auf 150 Mill. Euro in drei Jahren wachsen, die Aufträge sind da, allein es fehlt das Personal.
Deshalb nimmt Hauser auch sehr gern qualifizierte ältere Mitarbeiter. Wenn er über die Kollegen Mertel und Schlosser spricht, gerät er ins Schwärmen. „Ich habe eine richtige Freude mit den beiden“, sagt der Chef. „Beide wollen Leistung zeigen und passen gut ins Team.“Ältere hätten den Vorteil, dass sie genau wüssten, was sie vom Leben erwarten. Seit Monaten hat Hauser weitere zehn Stellen offen.
Dass die Regierung etwas tut, damit Ältere verstärkt auf dem Arbeitsmarkt Chancen haben, findet Hauser gut. So spiele der bisherige Kündigungsschutz bei Spezialisten keine Rolle, aber in der Produktion könne er sich vorstellen, auch Ältere zu nehmen, wenn der Kündigungsschutz gelockert werde.
Auch Schlosser und Mertel finden das Bemühen der Regierung gut. Schlosser formuliert es so: Wenn schon Gesellschaft und Unternehmen das Thema oft falsch betrachteten, vielleicht helfe dann zumindest finanzieller Anreiz, um in die richtige Spur zu kommen.