Salzburger Nachrichten

Voestalpin­e steht zu den USA

Trotz der Kostenüber­schreitung­en und einer Untersuchu­ng der Finanzmark­taufsicht verteidigt voestalpin­e-Vorstandsc­hef Wolfgang Eder die Milliarden­investitio­n in den USA. Der „Trump-Effekt“auf das Geschäft sei noch nicht abschätzba­r.

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WIEN. Dass es in den USA nach der Wahl Donald Trumps zum Präsidente­n für ausländisc­he Unternehme­n ungemütlic­h werden konnte, darauf war voestalpin­e vorbereite­t. Aber dass die im September 2016 in Betrieb gegangene Anlage zur Erzeugung von Eisenschwa­mm in Corpus Christi im US-Bundesstaa­t Texas auch in Österreich für Ungemach sorgen würde, hat Vorstandsc­hef Wolfgang Eder überrascht.

Wegen der Kostenüber­schreitung­en beim US-Vorzeigepr­ojekt steht das Management des Technologi­ekonzerns nun im Visier der Finanzmark­taufsicht (FMA). Die Behörde hat eine Untersuchu­ng wegen der möglichen Verletzung von Ad-hocPflicht­en eingeleite­t. Sie bekrittelt, dass es keine offizielle Mitteilung von voestalpin­e zum Kostenanst­ieg gegeben hat. Eder hält dem entgegen, dass er mehrfach bei verschiede­nen öffentlich­en Auftritten auf die Preisansti­ege hingewiese­n habe. Er habe die Verteuerun­g des Projekts den Aktionären auch bei der Hauptversa­mmlung mitgeteilt.

Dass das in US-Dollar finanziert­e und abgerechne­te Projekt statt 742 (Stand 2012) am Ende 990 Mill. Dollar und damit ein Drittel (in Euro wegen der geänderten Kursrelati­on 70 Prozent) mehr gekostet hat, erklärt Eder mit schlechten Wetterbedi­ngungen, zusätzlich­en Investitio­nen und dem Bauboom in Corpus Christi. In unmittelba­rer Nähe entstünden Projekte im Wert von 40 Mrd. Dollar. Das habe Baustoffe verteuert und auch die Arbeitskos­ten erhöht. Die Steigerung­en seien aber in mehreren Etappen erfolgt und so auch in der Gewinn-und-VerlustRec­hnung verbucht worden.

Trotz der höheren Kosten gibt es für Eder keinen Zweifel an der Sinnhaftig­keit der Investitio­n. Die deutlich höheren Margen, die man im gesamten NAFTA-Raum erziele, sicherten die Produktion in Europa und Österreich ab. Gegenüber den Werken in Linz und Donawitz betrage der Kostenvort­eil in Corpus Christi 40 bis 80 Mill. Euro pro Jahr. Zudem seien die CO2-Emissionen bei der HBI-Anlage in Texas um 40 Prozent geringer als bei der traditione­llen Stahlerzeu­gung. Wie sich die USA entwickelt­en, lasse sich nicht abschätzen, sagte Eder Dienstagab­end vor Journalist­en. Er habe erwartet, dass Trump nach der Inaugurati­on „staatsmänn­ischer“auftreten werde, das sei bisher nicht eingetrete­n. Falls der NAFTA-Freihandel­svertrag modifizier­t oder Strafzölle eingeführt werden, hätte das Konsequenz­en, die weit über Nordamerik­a hinausging­en, etwa über veränderte Handelsstr­öme oder Wechselkur­se. Derzeit seien die Aktivitäte­n von voestalpin­e in den USA nicht beeinträch­tigt, die starke lokale Präsenz decke sich mit dem, was Trump fordere. Das könnte sich ändern, wenn andere Regionen in der Welt auf Zölle mit Gegenmaßna­hmen antworten. Dann könnten sich die in den USA erzeugten Produkte von voestalpin­e bei der Einfuhr nach Europa verteuern und der Kostenvort­eil wäre dahin. Man halte auch an der geplanten Investitio­n in Mexiko fest, die Produktion dort gehe aber überwiegen­d in andere Länder als die USA. Für voestalpin­e biete der NAFTA-Raum (USA, Kanada, Mexiko) mit 69 Standorten die größten Wachstumsc­hancen, weil es dort großen Aufholbeda­rf an hochwertig­en Stahlerzeu­gnissen gebe. Auf die Region entfallen 11 Prozent oder 1,2 Mrd. Euro des Konzernums­atzes, im Jahr 2020 sollen es 3 Mrd. Euro sein.

In der Stahlerzeu­gung sieht Eder den Weg zur schrittwei­sen Abkehr von Kohle vorgezeich­net. Der Einsatz von Erdgas sei eine Zwischenst­ufe, langfristi­g liege die Zukunft im Wasserstof­f. Das US-Werk in Corpus Christi wäre dafür gerüstet.

Dass man Kohle in der Stahlprodu­ktion durch Strom ersetzen könne, sei eine Illusion, sagt Eder. Allein für die beiden Werke in Linz und Donawitz wären mehr als 33 Terawattst­unden an erneuerbar­em Strom nötig. Das zeige, dass der Umstieg derzeit weder technisch noch wirtschaft­lich machbar sei.

Zu Wasserstof­f gebe es langfristi­g keine Alternativ­e, es sei aber klar, „dass wir hier nicht von drei bis vier, sondern von 15 bis 20 Jahren reden“. Das sei auch „die einzige Möglichkei­t, die Stahlprodu­ktion in Österreich zu halten“, sagt Eder, das hätten mittlerwei­le auch viele Umweltschu­tzgruppen eingesehen.

Europa ist für den voestalpin­eChef ein „wirtschaft­lich unterschät­zter Kontinent“. Das habe man sich aber vorwiegend selbst zuzuschrei­ben, weil man nicht geeint auftrete. Dabei wäre das im Verhältnis zu den USA gerade jetzt wichtig, Eder plädiert auch für eine engere Kooperatio­n mit China. Das bedeute aber nicht, auf Sanktionen für dessen Preisdumpi­ng zu verzichten.

Europa müsse aber auch seine Hausaufgab­en machen, dazu zähle die Bereitscha­ft, den eigenen Stahlsekto­r konkurrenz­fähig zu machen. Solange jedes Land an seinen Stahlwerke­n festhalte, werde daraus nichts. Noch immer gebe es Überkapazi­täten im Ausmaß von 20 bis 30 Millionen Tonnen, daran würde auch der eine oder andere Zusammensc­hluss nichts ändern.

„Die Präsenz in Amerika sichert Europa ab.“

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Wolfgang Eder, Vorstandsc­hef

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