Salzburger Nachrichten

Der Weg aus der Sucht fängt mit der Einsicht an

Wer der Droge Alkohol verfallen ist, benötigt profession­elle Hilfe, um davon wegzukomme­n. Eine wirksame Nachsorge geht über viele Jahre.

- HANNES BACHER

Alkohol war immer mit besonderen Anlässen vergesells­chaftet. Griechen und Römer hatten sogar Götter für den Alkohol. Bei Naturvölke­rn war und ist es bis heute üblich, besondere Anlässe und religiöse Feste mit Alkohol zu feiern. Auch bei uns werden alkoholisc­he Getränke besonderer Güte zu außergewöh­nlichen Anlässen wie etwa einem Geburtstag geschenkt.

1. Alkohol ist zum alltäglich­en Begleiter geworden

Insgesamt hat sich die Situation in der heutigen Konsumgese­llschaft aber entscheide­nd verändert. In einer Zeit, in welcher wir uns vieles früher Unerreichb­are leisten können, wurde der Alkohol vom besonderen Anlass zu einem alltäglich­en Begleiter. Ob man Bier trinkt, weil die Arbeit Energie gekostet hat und Bier das natürlichs­te Elektrolyt­getränk ist, ob man am Samstag „auf Tour“geht und sich bis zur Besinnungs­losigkeit besäuft – all das sind Auswüchse, die mit der Wirkung des Alkohols zusammenhä­ngen.

Nicht zuletzt hat Alkohol auch noch einen besonderen Effekt: Er beruhigt und hilft beim Einschlafe­n. Es ist einfacher, sich im Lebensmitt­elgeschäft um die Ecke sein Schlaf- und Beruhigung­smittel zu holen, als zuerst seinem Arzt die Geschichte zu erzählen und sich dann Tabletten zu besorgen.

2. Alkoholkon­sum ist nie ganz ohne Risiko

Einen völlig risikofrei­en Alkoholkon­sum gibt es nicht. Dies ist vergleichb­ar mit der Einnahme eines Medikament­s. Das Arzneimitt­el entfaltet an verschiede­nen Stellen im biochemisc­hen Räderwerk des Körpers seine Wirkungen und hat dabei neben der beabsichti­gten Hauptwirku­ng auch mehr oder weniger schädliche Nebenwirku­ngen. Ebenso greift der „Wirkstoff“Alkohol auf unterschie­dliche Art und Weise in den Organismus ein.

Das Glas Wein beim Karten nachmittag oder fallweise ein V er dauungssch­napsn ach Mittag bedeutet noch keine Suchtgefah­r. Gefährlich wird es erst, wenn die Menge steigt und der Konsum nicht mehr eingeschrä­nkt werden kann – mit allen Folgen von Abhängigke­its erscheinun­gen. Seine nachhaltig schädliche Wirkung entfaltet Alkohol, wenn er zum Problemlös­er in schwierige­n Lebens situatione­n wird. Spätestens wenn der Alkohol das Leben mehr und mehr bestimmt – und nicht der Mensch selbst –, sind die Trink gewohnheit­en zu hinterfrag­en. Die Suchen ach den Ursachen ist dann dringend.

3. Alkohol im Alter wird noch völlig unterschät­zt

Auch wenn in der Öffentlich­keit darüber kaum diskutiert wird, liegt der schädliche Alkoholkon­sum bei Patienten mit über 60 Jahren im Vergleich zur Gesamtbevö­lkerung ungefähr doppelt so hoch. Ähnlich verhält es sich bei Medikament­en, die ein Suchtpoten­zial aufweisen.

Die Einnahme von Substanzen wird oft als einzige Möglichkei­t gesehen, um Einschlafs­törungen oder Schmerzzus­tände zu unterdrück­en. Leider schaukelt sich das System von allein immer mehr hoch und irgendwann kommt der Moment, an dem der Patient zum Beispiel einen Sturz wegen zu eines zu hohen Alkoholkon­sums erleidet. Bei der Aufnahme ins Krankenhau­s wird oft eine Suchtprobl­ematik festgestel­lt.

Aus neuesten Studien wissen wir, dass Frauen eher zu Medikament­en greifen, Männer eher zu Alkohol. Dies mag damit zusammenhä­ngen, dass in den typischen Männerberu­fen seit jeher Alkohol dazugehört.

4. Weg aus der Sucht gelingt nur mit fachlicher Hilfe

Allein 22.000 Salzburger sind alkoholkra­nk. In ganz Österreich brauchen 300.000 Frauen und Männer dringend Hilfe, weil sie alkoholsüc­htig sind. Weitere 700.000 zeigen einen zumindest schädliche­n Alkoholkon­sum.

Wer der Droge Alkohol verfallen ist, benötigt profession­elle Unterstütz­ung, um aus der Sucht herauszuko­mmen. Das erste Thema bei einer Alkoholerk­rankung ist prinzipiel­l die Krankheits­einsicht des Patienten. Das ist nicht so einfach in unserer Gesellscha­ft, da der Alkohol eine willkommen­e und akzeptiert­e Substanz ist.

5. Erfolgreic­he abstinente Alkoholike­r sind in Gruppen

Wenn der Patient einsichtig ist, ist der erste Ansprechpa­rtner der Hausarzt oder ein Facharzt für Psychiatri­e. Dann wird in aller Regel eine Entgiftung­sphase eingeleite­t. Entgiften bedeutet, den Alkoholkra­nken mithilfe von Medikament­en so zu unterstütz­en, dass die Entzugspha­se erträglich ist.

Der Patient ist nach der Entgiftung hoffentlic­h bereit, eine weitere längerfris­tige Therapie durchzufüh­ren. In Österreich wird dies im Ausmaß von sechs bis zwölf Wochen finanziert. Das ist die Entwöhnung­sphase, in der Menschen lernen, ohne Alkohol zu leben und mit dem Verlangen nach Alkohol umzugehen. Der Patient soll während der Therapie auch wieder Erfahrunge­n mit dem Alltag machen. Er muss allerdings akzeptiere­n, dass es sich um eine lebenslang­e Erkrankung handelt. Er muss sich damit auseinande­rsetzen, dass die Verlockung wiederkomm­t und dass die erfolgreic­hsten abstinente­n Alkoholike­r jene sind, die noch nach 15 bis 20 Jahren in Nachsorgeg­ruppen gehen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria