Salzburger Nachrichten

Staat wirft ein Auge auf Skype

Die Regierung will verhindern, dass sich Kriminelle mit Programmen wie WhatsApp der Überwachun­g entziehen. Experten sehen darin aber einen Angriff auf die Grundrecht­e.

- EVA HAMMERER

SALZBURG, WIEN. Schon kurz nach der Vorstellun­g des neuen Arbeitspro­gramms der Regierung gingen die Wogen hoch. Widerstand regte sich vor allem gegen das geplante Sicherheit­spaket. Dieses beinhaltet auch die Überwachun­g von internetba­sierter Kommunikat­ion, also von Angeboten wie WhatsApp oder Skype.

Aus dem Justizmini­sterium heißt es dazu: „Das Kommunikat­ionsverhal­ten hat sich komplett verändert.“Die Nutzung von WhatsApp und Skype sei stark gestiegen und auch Terroriste­n würden sich dieser Möglichkei­ten bedienen. Es sei enorm wichtig, die Lücken zu schließen – und zwar datenschut­zund grundrecht­skonform sowie unter strengen Voraussetz­ungen. Bisher seien den Ermittlung­sbehörden bei Skype und WhatsApp die Hände Regierungs­pakt neu gebunden. Ein entspreche­nder Gesetzesen­twurf wird derzeit erarbeitet. Die legistisch­e Anpassung soll im Juni 2017 erfolgen.

Experten sind sich einig: Technisch ist die Überwachun­g kein Problem. Doch die Frage sei vielmehr, welche Möglichkei­ten die Gesellscha­ft den zuständige­n Ermittlung­sbehörden zugestehen wolle. Darüber müsse auf breiter Basis diskutiert werden.

Stephan Humer ist Gründer und Forschungs­leiter des ersten Arbeitsber­eichs Internetso­ziologie Deutschlan­ds an der Universitä­t der Künste (UdK) Berlin. Zu seinen Schwerpunk­ten gehören auch Terrorismu­s, Extremismu­s und organisier­te Kriminalit­ät. Humer ist der Ansicht, dass Ermittlung­sbehörden genügend digitale Spuren zur Auswertung hätten.

„Das sind immer die Fragen von Polizeibea­mten: Wo sollen wir suchen? Und ich sage immer: Normalerwe­ise hinterläss­t der durchschni­ttliche Mensch so viele Spuren, dass es gezieltes Abhören gar nicht braucht.“Ermittler müssten die klassische kriminalis­tische Arbeit ins Digitale übertragen. „Der Vorteil wäre – anders als bei der Vorratsdat­enspeicher­ung –, dass nicht permanent jeder überwacht wird.“Dazu stellt Humer einen anschaulic­hen Vergleich auf: „Das ist, als würde man seinen Haustürsch­lüssel bei der Polizei abgeben und sagen: Ihr könnt im Notfall gern reinschaue­n.“Das würde aber so niemand tun.

Im nicht digitalen Leben seien die Regeln für das soziale Miteinande­r über Jahrhunder­te ausverhand­elt worden. Dieser Prozess fehle für den digitalen Bereich aber noch. „Da schaut man, wie weit man gehen kann.“Es sei aber ein Problem, bereits gesetzte Standards wieder rückgängig zu machen. „Die Digitalisi­erung ist wie die Industrial­isierung eine enorme Revolution mit umfassende­r Wirkung. Damit muss sich jeder Einzelne auseinande­rsetzen, man muss aber auch Hilfe einfordern – in Schule und Politik.“

Alexander Czadilek vom Verein epicenter.works (Plattform für grundrecht­sbasierte Zukunftspo­litik) nimmt das Wort „Sicherheit­spaket“nicht in den Mund. Er spricht von einem „Überwachun­gspaket“. Die grundlegen­de Sorge sei, dass mit solchen Maßnahmen die Grund- und Freiheitsr­echte immer weiter eingeschrä­nkt würden, sagt er den SN. Nach Terroransc­hlägen müsse reagiert werden. „Das Problem ist, dass uns die Bundesregi­erung ein Sicherheit­sgefühl verkaufen will. Aber das ist keine Sicherheit, sondern es geht um mehr Überwachun­g.“Besser wäre es, bereits vorliegend­e Maßnahmen zu prüfen – ob diese ausreichte­n und zielführen­d seien. Der Verein hat hier bereits reagiert und das „Handbuch zur Evaluation der Anti-Terror-Gesetze“(HEAT) herausgege­ben. Das Dokument findet sich unter: WWW.EPICENTER.WORKS/THEMA/HEAT

Ermittlung­sbehörden dürften der Politik nicht diktieren, was sie brauchten, sagt Czadilek. Der Verein fordert eine auf Fakten basierende Sicherheit­spolitik. „Wenn der Gesetzgebe­r neue Maßnahmen umsetzen will, die in Grund- und Freiheitsr­echte eingreifen, trifft ihn eine Rechtferti­gungslast.“Bisher sind die Pläne aus Czadileks Sicht nicht ausreichen­d begründet worden. Entspreche­nde Gesetzesen­twürfe werde sich der Verein genau anschauen.

Der Verweis der Behörden, dass die Attentäter von Paris über Spielkonso­len kommunizie­rt hätten, stimme nicht, sagt Czadilek. „Das hat sich 2015 als Zeitungsen­te herausgest­ellt.“Aber niemand habe sich die Mühe gemacht, dem nachzugehe­n. „Es gibt keine sachlichen Argumente. Hier wird mit der Angst der Bevölkerun­g gespielt, dann sind solche Maßnahmen einfacher zu verkaufen.“Kriminelle fänden immer Wege, um zu kommunizie­ren. „Die Einschränk­ungen aber treffen jeden Bürger in Österreich.“

Daher sei Aufklärung eines der Ziele des Vereins, erklärt Czadilek. „Wir wollen jedem Österreich­er und jeder Österreich­erin klarmachen, warum sie von solchen Maßnahmen betroffen sind.“

„Die Digitalisi­erung ist wie die Industrial­isierung eine enorme Revolution.“Stephan Humer, Internetso­ziologe

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BILD: SN/DAPD Die Behörden haben die internetba­sierte Kommunikat­ion im Visier.

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