Fall Alijew wird zum Streit der Gutachter
Ein Privatgutachter kritisiert die Suizidthese erneut. Wird die Republik verklagt?
WIEN. Der Gutachterstreit im Kriminalfall Alijew ist voll entbrannt. Suizid oder Mord? Ein Schweizer und ein deutscher Gutachter sind sich uneins, wie der ehemalige kasachische Botschafter Rachat Alijew in einem Wiener Gefängnis zu Tode kam.
Mit drastischen Worten wandte sich der deutsche Gerichtsmediziner Bernd Brinkmann im Kriminalfall Alijew am Freitag an seinen Schweizer Kollegen Roland Hausmann. Hausmanns Gutachten sei „sehr enttäuschend, weil es mit großem Fleiß sehr einseitig schlussfolgert und konstatiert und etliche entgegenstehende Befunde und Tatsachen ignoriert“, schrieb Brinkmann in einer kurzen Stellungsnahme. Der Schweizer Experte hatte zuvor in einem Ergänzungsgutachten den Tod Rachat Alijews endgültig als Selbstmord diagnostiziert. Die Staatsanwaltschaft Wien hat auf Basis des Schweizer Gutachtens weitere Ermittlungen im Fall Alijew endgültig ausgeschlossen und den Akt geschlossen.
Der ehemalige kasachische Botschafter Rachat Alijew war am 24. Februar 2015 in seiner Gefängniszelle tot aufgefunden worden. Für seine Anwälte war es Mord, sie stützen sich auf das Privatgutachten von Bernd Brinkmann. Das Schweizer Gutachten widersprach dieser Theorie. Ob die Justiz die neue Stellungnahme des Privatgutachters Brinkmann berücksichtigt, ist fraglich. „Wir werden natürlich einen Antrag stellen“, erklärt Ali- jews Anwalt, Klaus Ainedter, auf SN-Anfrage. Man wünsche sich ein Obergutachten zu dem Fall. Als letzte Möglichkeit sehen die Anwälte eventuell eine Schadenersatzklage gegen die Republik. Immerhin seien hohe Kosten angefallen. „Und eines kann man mit Sicherheit sagen, es ist schlampig ermittelt worden“, erklärt Ainedter.
Alijew war wegen des Verdachts, er habe mit zwei Komplizen zwei kasachische Banker ermordet, in Wien in U-Haft gesessen. Er hatte den Vorwurf immer zurückgewiesen. Die Frage, ob es einem Mörder gelungen sein könnte, Alijew im Gefängnis zu töten, wurde laut Justiz ausreichend geprüft. Und verneint.