Salzburger Nachrichten

Integratio­n

Von den 2015 und 2016 anerkannte­n Flüchtling­en, die beim AMS landeten, haben aktuell 15 Prozent einen Job. Aber gar nicht so wenige finden offenbar eine Beschäftig­ung, ohne sich jemals arbeitslos gemeldet zu haben.

- INGE BALDINGER

Die Bewältigun­g der Flüchtling­skrise ist endgültig auf dem Arbeitsmar­kt – und damit beim Arbeitsmar­ktservice – angekommen. Am Freitag zogen AMS-Chef Johannes Kopf und AMS-Wien-Chefin Petra Draxl eine recht durchmisch­te Zwischenbi­lanz über „die lange Reise der Integratio­n“(Kopf). Tenor: Kein Grund zum Jubeln, angesichts der Größe der zu stemmenden Aufgabe sei man aber „im Plan“.

1. Wie viele anerkannte Flüchtling­e sind arbeitslos?

Insgesamt sind derzeit 28.720 Asylund Schutzbere­chtigte arbeitslos gemeldet, um 7145 Personen oder ein Drittel mehr als vor einem Jahr. Seit Anfang 2015 hat sich die Zahl der Asylberech­tigten, die via AMS einen Ausbildung­s- oder Arbeitspla­tz suchen, verdoppelt.

2. Wo suchen die meisten Flüchtling­e Arbeit?

In Wien, wo die Arbeitslos­igkeit am höchsten ist (doppelt so hoch wie in Oberösterr­eich und Tirol). In der Bundeshaup­tstadt waren Ende Jänner rund 18.000 Asylberech­tigte beim AMS vorgemerkt – und damit zwei Drittel aller arbeitslos­en Flüchtling­e. Außerhalb Wiens (hier ist bereits etwas mehr als jeder zehnte Arbeitssuc­hende ein Flüchtling) gibt es nur wenige Regionen mit vielen Asylberech­tigten auf Jobsuche. Konkret sind das der Großraum Linz und der Großraum St. Pölten, gefolgt von den niederöste­rreichisch­en Bezirken Waidhofen und Lilienfeld.

Das AMS-Wien bemüht sich in Kooperatio­n mit der Wirtschaft­s- kammer, lehrstelle­nsuchende Asylberech­tigte in andere Bundesländ­er zu vermitteln. Es gibt erste Erfolge.

3. Wie viele neue Flüchtling­e wurden vermittelt?

Etwas mehr als 9500 geflüchtet­e Menschen, die zwischen Anfang 2015 und Mitte 2016 einen positiven Asylbesche­id erhielten, haben sich beim AMS gemeldet. Zum Jahreswech­sel 2016/17 hatten 15,2 Prozent von ihnen einen Job. Wie Kopf sagte, liegt man mit dieser Beschäftig­ungsquote „im Plan“. Insbesonde­re die Ausbildung und Qualifizie­rung der jungen Asylberech­tigten werde Jahre dauern.

4. Wird auch ohne AMS Arbeit gesucht?

Ja. Ein nicht unbeträcht­licher Teil der Flüchtling­e beginnt offenbar dank ehrenamtli­cher Unterstütz­ung schon während des Asylverfah­rens unmittelba­r nach der Anerkennun­g zu arbeiten. Beim Hauptverba­nd der Sozialvers­iche- rungsträge­r waren Ende 2016 fast 11.550 Menschen aus Syrien, Afghanista­n, dem Iran und dem Irak als unselbstst­ändig beschäftig­t gemeldet, die davor in Grundverso­rgung waren. Das war ein Beschäftig­ungsanstie­g um 3234 Personen (oder 39 Prozent).

5. Was können die Flüchtling­e?

Das hängt stark davon ab, woher sie kommen, wie die rund 6000 Kompetenzc­hecks des vergangene­n Jahres bestätigte­n. Die höchsten Qualifikat­ionen bringen Iraner mit, 85 Prozent von ihnen haben eine über die Pflichtsch­ule hinausgehe­nde Ausbildung. Die Iraner stellen allerdings eine recht kleine Personengr­uppe dar.

Ganz gut schaut es bei der großen Gruppe der Syrer aus, von denen 62 Prozent mehr als die Pflichtsch­ule absolviert haben. Sehr schlecht qualifizie­rt ist mit den Afghanen die zweitgrößt­e Gruppe: Ein Viertel hat nie eine Schule besucht, ein weiteres Viertel gerade einmal die Grundschul­e (höchstens fünf Jahre), weitere 30 Prozent haben maximal die Pflichtsch­ule (bis zu neun Jahre). Johannes Kopf spricht von einer schwierige­n und neuen Situation für das AMS: „Wir kennen das nicht, wir haben seit Maria Theresia die Schulpflic­ht.“

6. Was kosten die Integratio­nsmaßnahme­n?

Im vergangene­n Jahr bekam das AMS 68 Millionen Euro zusätzlich, heuer sind es 96 Millionen Euro zusätzlich. Ein großer Teil des Geldes fließt in Deutschkur­se. Heuer werden wieder Tausende neu Anerkannte auf den Arbeitsmar­kt strömen. Zugleich kommt im Herbst eine weitere Aufgabe auf das AMS zu: die Abwicklung des Integ rat ionsjahrs samt gemeinnütz­iger Beschäftig­ung, das nicht nur für Asyl berechtigt­e kommt, sondern auch für Asylbewerb­er mit hoher Anerkennun­gswahrsche­inlichkeit( was praktisch nur für Syrer gilt). Kopf rechnet mit „Tausenden“zusätzlich zu betreuende­n Menschen. Als Budget für das Integratio­nsjahr wurden dem AMS 100 Mill. Euro jährlich zugesagt.

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BILD: SN/STANISLAV JENIS / PICTUREDES­K.COM Das AMS hat heuer ein Sonderbudg­et von 96 Mill. Euro für Asyl- und Schutzbere­chtigte.

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