Sträwkcür: Man spricht rückwärts
Vorwärts kann jeder. Aber fließend rückwärts sprechen – das beherrschen nur sehr wenige. Damian Imöhl ist einer von ihnen.
Damian Imöhl war sieben, als die Familie merkte, dass der Bub irgendwie anders tickt. In einem Restaurant rief er einer Kellnerin ein fröhliches „Ollah“zu. „Ollah? Was soll das denn?“, fragte die Mutter. „Hallo natürlich, nur rückwärts“, antwortete Damian. Schon als Kind habe er sehr viel geredet, erzählt der heute 47-Jährige bei einem Besuch seiner Wirkungsstätte in der schwäbischen Stadt Aalen. „Das genügte mir nicht. Alles, was ich las oder hörte, wollte ich auch rückwärts sagen können.“
Das ist so geblieben. Wenn Damian Imöhl auf der Autobahn unterwegs ist, vertreibt er sich die Langeweile durch Rückwärtslesen. „Da bieten einem Lkw-Aufschriften ja so einiges oder auch die Hinweisschilder.“Der Autohof wird fix zum „fohotuA“und das Kreuz Stuttgart zum „zuerK tragttutS“. Für den Wortgewandten sind solche Übungen „stunaeP“. In Windeseile wandelt Imöhl selbst Wortungetüme wie Desoxyribonukleinsäure und ganze Sätze blitzartig um. „So etwas habe ich längst abrufbereit rückwärts auf der Hirnfestplatte gespeichert.“
Anerkennung kommt von Bernhard Wolff: „Wer so etwas kann, gehört schon zur Bundesliga der Rückwärtssprecher.“Anders als Imöhl hat Wolff sein Talent zum Beruf gemacht. Bei seinen Auftritten begeistert der 50jährige Hirn-Entertainer das Publikum. Er sieht das Phänomen als eine „Gehirnsportart“. Wohl jeder habe schon probiert, den eigenen Namen andersherum zu lesen. Aber fließend von hinten nach vorn sprechen können nur wenige. „In Deutschland sind mir im Laufe der Jahre etwa 50 solche Menschen begegnet, die meisten waren Kinder oder Jugendliche.“
Die wichtigsten Voraussetzungen sind nach Einschätzung des Neurolinguisten Mathias Scharinger „ein hohes Bewusstsein für Sprache, die
„Ich wollte alles rückwärts sagen können.“Damian Imöhl, Chefredakteur
Fähigkeit, Worte abstrahieren zu können und ein ausgezeichnetes bildliches Gedächtnis“. Die schwierigste Art des Rückwärtssprechens sei die Wiedergabe kompletter Sätze. Dafür brauche es ein stark ausgeprägtes „Arbeitsgedächtnis“.
Bei Imöhl funktioniert das ungefähr so: „Du hörst einen Satz und während der gesprochen wird, geht er in dein Ohr, zugleich aber weg von dir, dreht sich, kommt umgekehrt zurück, als ob du alles im Rückspiegel liest.“
Als Bub wollte Imöhl an die Clownschule in Paris. Wenigstens mit Worten „jongliert“Imöhl auch im Beruf, den er dann nach seinem Geschichts- und Jurastudium wählte. Er wurde Journalist und ist heute Chefredakteur in Aalen.