Salzburger Nachrichten

Polen sieht schwarz

Warschau ist Europas Smog-Hauptstadt. Schwer drücken die Abgase aus der Kohleverfe­uerung auf Mensch, Tier und Pflanzen. Doch Polens Regierung will vom Klimakille­r nicht lassen.

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Brexit, Trump und Putin, Flüchtling­skrise und Demokratie­abbau: Beim Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel Anfang Februar in Warschau standen die großen Themen der Weltpoliti­k auf der Tagesordnu­ng. Doch wer bei der Pressekonf­erenz Merkels mit Polens konservati­ver Ministerpr­äsidentin Beata Szydło genau hinhörte, der erfuhr auch von Merkels Hoffnung, mit dem Nachbarn im Osten „beim Klimaschut­z zusammenzu­arbeiten“.

Klimaschut­z? Polen? Details nannte Merkel nicht, und das konnte Kenner der Szene kaum wundern. „Poland is Coal-Land“, lautet ein Schlagwort unter Experten, und die Regierung in Warschau bekennt sich offen dazu, am Verfeuern des Klimakille­rs Kohle wenig bis nichts ändern zu wollen. „Wir sind bereit, gegen die Emissionsz­iele der EUKommissi­on vor Gericht zu kämpfen“, erklärte zuletzt der stellvertr­etende Umweltmini­ster und Klimaschut­zbeauftrag­te Paweł Sałek, und auch Szydło hat wiederholt betont, dass „Klimapolit­ik gegen unsere Interessen ist“.

Dieser prinzipiel­le Ansatz ist weitgehend Konsens und kein Alleinstel­lungsmerkm­al der rechtsnati­onalen PiS, die seit 2015 regiert. Es war der heutige EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk, der als liberal-konservati­ver Premier zwischen 2007 und 2014 eine unabhängig­e Energiepol­itik unter dem Primat des Wachstums forcierte. Tusk lancierte zwar unter dem Stichwort „Diversifiz­ierung“Pläne für den Bau zweier Atomkraftw­erke, ließ im nordwestpo­lnischen Swinemünde ein Flüssiggas­terminal errichten und trieb die Suche nach Erdgas mithilfe der umstritten­en Fracking-Technik voran. Auch sollte der Anteil der Erneuerbar­en auf 15 Prozent erhöht werden. An der polnischen Tradition, die heimische Kohleindus­trie zu protegiere­n und zu subvention­ieren, rüttelte aber auch Tusk nicht – eher im Gegenteil, zumal sich der AKW-Bau hinzog und die Fracking-Hoffnungen enttäuscht wurden.

Nicht zufällig steht das weltgrößte Braunkohle­kraftwerk in Belchatow, südlich von Lodz. Mehr als 80 Prozent des Stroms im Land stammen aus Kohlekraft­werken. Bergarbeit­er, wie der Vater von Premier Szydło einer war, genießen seit kommunisti­schen Zeiten einen hohen gesellscha­ftlichen Status.

Und Piotr Naimski, ein erfahrener PiS-Energieexp­erte und Staatsmini­ster in Szydłos Kanzlei, machte folgende Rechnung auf: „Energiesic­herheit ist eines der Fundamente nationaler Sicherheit, vielleicht sogar das wichtigste, und Kohle kann sie garantiere­n.“

Politiker und Bürger in dem Land, das so lange von ausländisc­hen Mächten beherrscht wurde, allen voran von Deutschen und Russen, sind in Fragen der nationalen Sicherheit höchst sensibel. Das ist auch der wichtigste Grund, warum Polen weiterhin auf heimische Steinkohle setzt statt auf billigere Importware aus Südafrika, Australien oder Südamerika. Rund 100.000 Arbeitsplä­tze hängen noch immer an der Kohleförde­rung, vor allem in den schlesisch­en Industrier­evieren. Viele Wähler der globalisie­rungskriti­schen PiS sind dort zu Hause.

Nicht so leicht zu erklären sind dagegen die Vorbehalte gegen die erneuerbar­en Energien. Mit Gesetzesve­rschärfung­en will die PiS-Regierung den Bau von Windparks erschweren – vermutlich, weil die Hersteller meist aus dem Ausland kommen, aus Skandinavi­en, Österreich und Deutschlan­d. Deren Energiewen­depolitik gilt in Warschau mitunter als Wirtschaft­simperiali­smus, so wie die deutschrus­sische Ostsee-Pipeline Nordstream einst als „Neuauflage des Hitler-Stalin-Pakts“galt. Einen weiteren Ausbau der Röhren auf dem Meeresgrun­d versucht Warschau mit allen Mitteln zu verhindern.

Klimaschüt­zern bleibt beim Blick auf Polen vermutlich eine letzte, ziemlich zweischnei­dige Hoffnung: der Smog. Mehr als 30 der 50 am stärksten mit Feinstaub belasteten Städte der EU liegen zwischen Oder und Bug. Warschau gilt unter Umweltschü­tzern als das „Peking Europas“. Bei den Smog-induzierte­n Todesfälle­n hält Polen seit Jahren EUweit eine ebenso einsame wie traurige Spitzenpos­ition. Piotr Siergiej von der Umweltorga­nisation „Smog-Alarm“fordert immer wieder: „Wir müssen endlich die Kohleöfen aus unseren Häusern verbannen.“Tatsächlic­h heizen noch immer Millionen Polen mit Braunkohle. Wenn es in der Klima- und Energiepol­itik zum Schwur kommt, gilt aber bis auf Weiteres das Wort von Staatschef Andrzej Duda: „Niemals werde ich etwas unterschre­iben, wodurch uns die EU die Kohle wegnehmen kann.“

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BILD: SN/EPA Das hohe Ansehen der Kohlekumpe­l stammt noch aus kommunisti­schen Zeiten.
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Ulrich Krökel berichtet für die SN aus Polen

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