Politische Lügner machen die Demokratie kaputt
Lügen haben Konjunktur. Stimmungen zählen mehr als das, was sich durch Fakten beweisen lässt. Eine fatale Fehlentwicklung.
Wenn Politiker immer häufiger beim Lügen ertappt werden, tröstet uns der Hinweis wenig, dass auch Normalmenschen oft unehrlich seien; der Effekt politischen Handelns ist ungleich größer. Eine banale Beschwichtigung ist es bloß, wenn gesagt wird, dass Lügengebäude auch früher schon dazu gedient hätten, Machtmissbrauch zu bemänteln (WatergateSkandal) oder Kriege zu rechtfertigen (Irak-Invasion).
Die politische Lügenpraxis gewinnt vielmehr jetzt systemischen Charakter. Falschaussagen werden gezielt eingesetzt, weil es in der digitalen Welt neue technologische Mittel dafür gibt. Was auf dem Spiel steht, ist die faktische Wirklichkeit selbst; und das ist ein politisches Problem allererster Ordnung.
Dass autokratische Herrscher wie Wladimir Putin mit der Wahrheit auf Kriegsfuß stehen, verwundert uns nicht. Statt von russischen Soldaten war von grünen Männchen die Rede, die nur zu Urlaubszwecken auf der Krim weilten. Russische Propaganda hat früher Potemkinsche Dörfer aufgebaut. Heute nutzt sie dafür Instrumente wie Trolls oder Fake News.
Doch die Welle der Desinformation hat auch die westlichen Demokratien erfasst. In riesigen Ziffern stand auf roten Bussen jene famos fabulierte Summe, die Großbritannien laut den Brexit-Betreibern angeblich jede Woche als Mitgliedsbeitrag nach Brüssel zu überweisen hatte. Und nach der jüngsten Pressekonferenz von US-Präsident Donald Trump mussten Faktenprüfer gleich seitenlange Listen mit falschen oder fehlerhaften Behauptungen zusammenstellen.
Weshalb verfangen beim Publikum Aussagen von Politikern, die doch lügen, dass sich die Balken biegen? Weil das Misstrauen gegen alles Etablierte, in Politik und Medien, so abgrundtief ist. Weil in der schönen neuen Welt der Kommunikation heute alles herumwabert. Weil jeder in seiner eigenen Blase lebt und nur noch registriert, was an Signalen in dieser Parallelwelt ausgesendet wird. Der Diskurs mit den anderen findet nicht mehr statt. „Geglaubt“wird folglich auch das Abstruse.
So schnappt Trump in dem von ihm konsumierten TV-Kanal irrige Angaben über die Sicherheitslage in Schweden auf und trompetet sofort die nächste Falschmeldung in die Welt, ohne dass seine Anhänger deswegen anfingen, an ihm zu zweifeln. In einer Zeit global zirkulierender Gerüchte braucht es mehr denn je professionelle Medienleute, die das Seriöse vom Schrott separieren, und wache Bürger, die nicht einfach nachplappern, die Erde sei eine Scheibe oder die Amerikaner hätten die Berliner Mauer gebaut.