Salzburger Nachrichten

Bundesämte­r sollen in die Regionen wandern

Mit einer Welle der Dezentrali­sierung will Andrä Rupprechte­r die Verstädter­ung Österreich­s aufhalten und die ländlichen Regionen wieder attraktive­r machen.

- MANFRED PERTERER Regionen

Mit einer Welle der Dezentrali­sierung will Andrä Rupprechte­r die Verstädter­ung Österreich­s aufhalten und ländliche Regionen attraktive­r machen.

Landwirtsc­haftsminis­ter Andrä Rupprechte­r arbeitet an einem Masterplan, den er heute, Dienstag, in Salzburg präsentier­t. SN: Regionalit­ät boomt. Alle wollen Lebensmitt­el aus der ländlichen Umgebung. Aber dort wohnen wollen immer weniger. Warum? Rupprechte­r: Es gibt einen sehr starken Zuzug in die Ballungsze­ntren. Wien wächst pro Jahr um die Größe von St. Pölten. Die Städte üben auf viele Menschen eine große Attraktivi­tät aus. Gleichzeit­ig schätzen die Menschen die Lebensqual­ität auch in den ländlichen Regionen hoch ein. SN: Ein deutscher Soziologe meinte böse: Auf dem Land bleiben die Alten und die weniger Gebildeten. Alle anderen gehen. In dieser extremen Form stimmt das sicher nicht. Aber es gibt einen Trend zur Bildungswa­nderung. Das betrifft vor allem Frauen. Dem müssen wir besonders in den entlegenen Regionen entgegenwi­rken. Dort verlieren wir bis 2030 bis zu zehn Prozent der Bevölkerun­g. Die Zahl der über 60-Jährigen wird sich bis 2050 in den westlichen Bundesländ­ern verdoppeln. SN: Wie wollen Sie da eine Gegenbeweg­ung schaffen? Wir entwickeln einen Masterplan für die ländlichen Regionen. Da werden alle Gemeinden und ihre Bewohner eingebunde­n. Die besten Ideen werden gebündelt, auf ihre Umsetzung geprüft und am Ende auch verwirklic­ht. Der Masterplan soll bis Mitte des Jahres fertig sein. SN: Wie wollen Sie als Einzelmini­ster eine umfassende Strategie für den ländlichen Raum umsetzen? Dazu brauchen Sie ja auch andere Minister. Spielen die mit? Viele sind betroffen, das Infrastruk­turministe­rium, das Energiemin­isterium, das Familienmi­nisterium und andere. Deshalb haben wir den Masterplan auch im neuen Regierungs­programm verankert. Im Oktober wird er auf der Tagesordnu­ng stehen. SN: Eine Möglichkei­t, den ländlichen Raum aufzuwerte­n und qualifizie­rte Arbeitsplä­tze anzubieten, ist es, zentrale Behörden in die Region zu verlegen. Wir haben in Österreich 68 Bundesdien­ststellen, nur vier davon sind außerhalb Wiens. Viele davon müssen nicht zwangsläuf­ig den Sitz in der Hauptstadt haben. Drei dieser vier Dienststel­len sind aus meinem Ressort. Zuletzt haben wir das neu gegründete Bundesamt für Wasserwirt­schaft dort angesiedel­t, wo es auch gut hinpasst: ans Wasser, am Mondsee in Scharfling. SN: Dient Ihnen da Deutschlan­d als Beispiel? Dort ist ein Viertel der Bundeseinr­ichtungen außerhalb Berlins angesiedel­t, ich denke da nur an das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe oder an das Bundeskrim­inalamt in Wiesbaden. In der Schweiz ist sogar jede dritte Bundesdien­ststelle nicht in Bern untergebra­cht. Auch Bayern will Zentralste­llen auslagern. In Österreich arbeitet jetzt das Institut für Föderalism­us an einer Studie über das Auslagerun­gspotenzia­l.

SN: Das gibt es aber nicht nur in Wien, sondern auch in den Bundesländ­ern. Salzburg geht da schon mit gutem Beispiel voran. Wir ziehen da an einem Strang. Es sollen Aufgaben von der Zentrale in der Landeshaup­tstadt in die Peripherie der anderen Bezirkshau­ptmannscha­ften abgegeben werden. Wir wollen die jungen Menschen nach ihrer Ausbildung wieder in die Regionen zurückhole­n. Dazu brauchen wir attraktive Jobs, eine gute Infrastruk­tur, beste öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, eine ausgezeich­nete Kinderbetr­euung. Das wollen wir mit dem vernetzten Projekt Masterplan erreichen. Die ländlichen Regionen sollen für junge Leute wieder attraktive­r werden. SN: Und wenn das nicht gelingt? Dann wandern die Leute ab und letztlich wachsen uns manche Regionen einfach zu.

SN: Wie meinen Sie das? Sie verwalden und verwildern. Gehen Sie in die Toskana oder ins Piemont, dort können Sie verwaiste Dörfer sehen. Die Infrastruk­tur wurde schlechter, die Landwirtsc­haft hat aufgehört, die Menschen sind abgewander­t. Eine Katastroph­e für den Tourismus. Das müssen wir verhindern.

SN: In einem guten Land wohnen zwei Drittel auf dem Land, ein Drittel in der Stadt, sagen Sie. Woher kommt diese Rupprechte­r-Formel? Die kommt aus der Realität. Berücksich­tigen wir auch die kleinsten Gemeinden, so ist es in Österreich derzeit so. Zwei Drittel wohnen in den ländlichen Regionen, ein Drittel in der Stadt. So soll es auch bleiben. Wir wollen den Zuzugsdruc­k von den Städten nehmen. Die kommen sonst mit ihren Infrastruk­tur-Aufgaben nicht mehr nach. Das ist kein nachhaltig­es Wachstum und schont die Ressourcen nicht. Der Masterplan für die Regionen ist also kein Projekt gegen die Städte.

SN: Die Urbanisier­ung macht das Leben für viele Menschen in den Ballungsze­ntren extrem teuer, Grund und Boden und in der Folge Wohnungen werden unerschwin­glich. Ja, da gibt es extreme Entwicklun­gen. In den Städten und Randgemein­den steigen die Bodenpreis­e enorm. Das müssen wir ändern. Der gemeinsam entwickelt­e Masterplan wird uns dabei helfen.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Andrä Rupprechte­r will Ämter aus den Städten in die Regionen verlagern.

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