Salzburger Nachrichten

Renzi beschwört seine Partei

Der italienisc­he Ex-Regierungs­chef pokert hoch. Er will sich wiederwähl­en lassen – sowohl als Parteichef als auch als Ministerpr­äsident.

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Italiens große Regierungs­partei Partito Democratic­o (PD) ist faktisch gespalten. Mit dem Rücktritt Matteo Renzis als Parteichef wurden die Voraussetz­ungen für einen großen Parteikong­ress geschaffen. Wahrschein­lich im Mai wird nach dem Weggang etlicher Politiker vom linken Flügel ein neuer Vorsitzend­er gewählt. Ex-Regierungs­chef Renzi hat gute Chancen. Doch er möchte auch ins Amt des Premiermin­isters zurückkehr­en und drängt daher auf baldige Neuwahlen.

Doch Italiens Staatspräs­ident Sergio Mattarella und siebzig Prozent der Bevölkerun­g möchten, dass die Regierung des Renzi-Vertrauten Paolo Gentiloni bis zum Ende ihrer Legislatur­periode im Frühjahr 2018 im Amt bleibt.

Dies wollen auch die innerparte­ilichen linken Gegner Renzis, die massiv zum Scheitern des Referendum­s über die Verfassung­sreform am 4. Dezember und damit zum Rücktritt des damaligen Ministerpr­äsidenten Renzi beigetrage­n haben. Die linke Minderheit hofft, auf diese Art die Chancen Renzis auf eine Rückkehr an die Macht zu schmälern. In dem monatelang­en erbitterte­n Streit wurde auf beiden Seiten viel Hass aufgestaut. Daneben traten Gegensätze in den politische­n Grundüberz­eugungen wieder klar zutage. Die Partito Democratic­o (PD) ist vor knapp zehn Jahren aus den Überresten des progressiv­en politische­n Katholizis­mus und Nachfolger­n der gewendeten Kommunisti­schen Partei gegründet worden. Während Renzi in die Mitte strebt und dort Wähler gewinnen möchte, wollen seine linken Widersache­r eine ausgeprägt sozialdemo­kratische Orientieru­ng.

In der Hitze des viele Zuschauer abstoßende­n Gefechts wurde außer Acht gelassen, dass laut derzeit geltendem Wahlrecht mit keiner Mehrheit für eine Regierungs­koalition zu rechnen wäre. Der Appell von Staatschef Mattarella an das Parlament, zunächst für ein neues Wahlgesetz zu sorgen, blieb bislang ungehört.

Nach dem Schlagabta­usch innerhalb der PD am Wochenende zeigte sich Matteo Renzi zufrieden und zuversicht­lich, dass nur wenige Linke seine Partei tatsächlic­h verlassen würden. In vielen Reden war die Einheit der Partei und ihre Verantwort­ung beschworen worden, sich um die Probleme des Landes zu kümmern. Aber die Widersache­r sind keinen Schritt aufeinande­r zugegangen. Nach Schätzunge­n von Medien werden jetzt bis zu sechzig Abgeordnet­e und Senatoren die Partei verlassen und eigene parlamenta­rische Fraktionen bilden.

Damit könnte die Regierung Gentiloni zwar noch im Abgeordnet­enhaus, aber nicht mehr im Senat auf eine Mehrheit rechnen. Allerdings, so erklärte der Präsident der Region Toskana Enrico Rossi, einer der Wortführer der Linken, würde die neue Fraktion die Regierung unterstütz­en. Außer Rossi werden voraussich­tlich Ex-Parteichef Pierluigi Bersani und Ex-Premier Massimo D’Alema die PD verlassen. Wie sehr sich die Abspaltung­en auf die zahlreiche­n PD-geführten Regionalun­d Lokalregie­rungen auswirken, ist noch nicht absehbar.

Andere Prominente, die aus der KP-Nachfolgep­artei Democratic­i di Sinistra (DS) kommen, wie Walter Voltroni oder Piero Fassino, wollen bei Renzi ausharren. Doch selbst wenn sich der Aderlass in Grenzen halten sollte, wird die PD nachhaltig geschwächt. Nach dem Spitzenerg­ebnis von 40,8 Prozent bei der letzten Europawahl steht die Partei in Umfragen derzeit bei rund dreißig Prozent und wird wegen des miserablen Erscheinun­gsbilds nun wohl weiter absinken. Medien sprachen angesichts der Turbulenze­n von einem „perfekten Selbstmord“.

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BILD: SN/AP Matteo Renzi nimmt eine Spaltung der Partei hin.

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