Feen weben einen Faden, der nie zu Ende geht
Ein Netz aus dolomitischen Sagen spinnt das ladinische Trio Ganes zu einem märchenhaften Kopfkino.
SALZBURG. Ein einsames Waldmännlein traf auf ein Mädchen, erzählt man sich in den Südtiroler Dolomiten. Glücklich darüber schenkte das Männlein dem Mädchen einen verzauberten Wollknäuel, der nie enden sollte. Die schönsten Dinge strickte es damit. Die Euphorie wich jedoch bald dem Unmut und das Mädchen fluchte: „Wieso hörst du nicht auf, du langweiliger Faden?“Gleich ging ihr Wunsch in Erfüllung. Der Zauber war zu Ende, der Faden aus, das Glück ausgereizt.
Solche Geschichten erzählt das ladinische Pop-Trio Ganes auf seiner neuen Platte. Die Schwestern Elisabeth und Marlene Schuen sowie ihre Cousine Maria Moling wuchsen in La Val in den Dolomiten auf – dort, wo die Sagen ihren Ursprung haben. „An cunta che“heißt das neue Werk – „man erzählt, dass . . .“. Die Erzählungen ranken sich um das Königreich der Fanes. Ganes beginnen ihr Album mit der Sage von Moltina, der ersten Königin der Fanes. Als Kind von ihrer Mutter in den Bergen ausgesetzt, wuchs sie bei Murmeltieren auf und entwickelte selbst die Fähigkeit, sich in eines zu verwandeln. „Wenn sie errötet, dann werden auch die Berge rot“, erzählt Marlene Schuen. So sehr stehe sie im Einklang mit der Natur. Der Berg Hohe Gaisl ist noch heute Zeuge dieser märchenhaften Projektion. Im Tal der Ganes unterhält man sich noch auf Ladinisch. 30.000 Menschen beherrschen diese Sprache. Es klingt, als sprächen sie elbisch miteinander, wenn die Schuen-Schwestern in ihre Muttersprache wechseln. Das Ladinische verleiht den Geschichten eine besondere Prise Fantasie. Es klingt rein und betörend.
Um den Sagen wieder Leben einzuhauchen, spinnen Ganes die Themen weiter. Die Musik dazu schmiegt sich an und ist doch ungreifbar. Ungewöhnliche Instrumente wie eine Vermona-Orgel (eine Orgel aus DDR-Zeiten) geben dem Klanggerüst eine feenhafte Note. Flirrende Flöten, Hackbrett, Streicher, Trompete, Klarinetten und tiefes Blech vermischen sich mit Synths und Drum-Machines zu neuen Klängen. Diese Sagenwelt live auf die Bühne zu bringen war eine Herausforderung. „Menschen werden so überflutet von Nachrichten. Wir wollen unser Publikum da herausholen und in eine Fantasiewelt entführen“, sagt Elisabeth Schuen. In melodischem Dreiklang schaffen sie aus Geschichten wie der mit dem Waldmännlein und dem Mädchen mystische Zauberwerke. „Heute steh ich auf der Waage, im schweren Mantel meiner Emotion“, singen sie. Die Ungeduld hat das Mädchen im Griff. Der Faden ist zu Ende gesponnen. Das Glück vergänglich, wenn man es reizt. Live: