Österreich darf auch auf sich selbst achten
Die Regierung setzt ein wenig auf „Austria first“. Das ist richtig, wenn bestimmte Grenzen nicht überschritten werden.
Österreich zeigt ein neues Selbstbewusstsein. Jahrelang fiel die Regierung vor allem dadurch auf, dass sie Probleme ignorierte. Ob es die Entwicklung der Arbeitslosigkeit betraf, die Sicherung der Grenzen, die illegale Migration oder die zunehmenden Schwierigkeiten in den Schulen. Nichtstun war angesagt. Auch weil viele angedachte Lösungen bei den Spitzen der Europäischen Union nicht gern gesehen wurden. Damit scheint nun Schluss zu sein. Auf Antrieb Österreichs wurde die Balkanroute geschlossen und die illegale Migration reduziert. Die Regierung setzt einen Jobbonus um, der nur Menschen, die bereits in Österreich ihren Lebensmittelpunkt haben, zugutekommt. Dieser Tage wird ein Gesetzesentwurf fertig, der die Zahlungen der Kinderbeihilfe an EU-Bürger an den Lebensstandard in ihren Heimatländern koppelt, wenn die Kinder nicht in Österreich leben. Ein Hauch von „Austria first“weht durch das Land.
Einige mögen darüber die Nase rümpfen. Christian Kern und Reinhold Mitterlehner haben keine Wahl. Viele Österreicherinnen und Österreicher haben sich von Sozialdemokratie und Volkspartei abgewandt, weil sie das Gefühl haben, dass diese Parteien nicht mehr auf ihre Interessen achten. Diese Bürgerinnen und Bürger, die sich aus Protest oft den Freiheitlichen zuwandten, zurückzugewinnen ist eine Überlebensfrage für die beiden einstigen Großparteien. Diese Politik ist auch richtig: Schließlich ist die österreichische Regierung zuerst einmal der Bevölkerung des eigenen Landes verpflichtet.
Die Vorgangsweise der Regierung ist auch eine Gratwanderung. Denn all die Maßnahmen, die sie nun angekündigt hat, können nur umgesetzt werden, wenn sie durch das Regelwerk der Europäischen Union gedeckt sind. Dieses außer Kraft zu setzen wäre fatal. Denn trotz aller Kritik an der EU: An der Zusammenarbeit der europäischen Staaten führt kein Weg vorbei, wenn der Kontinent die nächsten Jahrzehnte friedlich überstehen will. Dazu gehört, Vereinbarungen, die man gemeinsam beschlossen hat, einzuhalten. Dass andere Staaten, etwa bei der Einhaltung von vereinbarten Budgetzielen, dies lockerer sehen, ist keine Ausrede, es ihnen gleichzutun.
Da wäre es dann gleich besser, zu diskutieren, ob die bestehenden Regeln der Union noch anwendbar und durchsetzbar sind. Für anstehende Schwierigkeiten neue Lösungen zu finden ist aber eigentlich politische Alltagsarbeit. Man muss es nur tun, und wenn möglich mit ein wenig Rücksicht auf die Sorgen und Nöte der anderen.