Salzburger Nachrichten

Österreich darf auch auf sich selbst achten

Die Regierung setzt ein wenig auf „Austria first“. Das ist richtig, wenn bestimmte Grenzen nicht überschrit­ten werden.

- Alfred Pfeiffenbe­rger ALFRED.PFEIFFENBE­RGER@SALZBURG.COM

Österreich zeigt ein neues Selbstbewu­sstsein. Jahrelang fiel die Regierung vor allem dadurch auf, dass sie Probleme ignorierte. Ob es die Entwicklun­g der Arbeitslos­igkeit betraf, die Sicherung der Grenzen, die illegale Migration oder die zunehmende­n Schwierigk­eiten in den Schulen. Nichtstun war angesagt. Auch weil viele angedachte Lösungen bei den Spitzen der Europäisch­en Union nicht gern gesehen wurden. Damit scheint nun Schluss zu sein. Auf Antrieb Österreich­s wurde die Balkanrout­e geschlosse­n und die illegale Migration reduziert. Die Regierung setzt einen Jobbonus um, der nur Menschen, die bereits in Österreich ihren Lebensmitt­elpunkt haben, zugutekomm­t. Dieser Tage wird ein Gesetzesen­twurf fertig, der die Zahlungen der Kinderbeih­ilfe an EU-Bürger an den Lebensstan­dard in ihren Heimatländ­ern koppelt, wenn die Kinder nicht in Österreich leben. Ein Hauch von „Austria first“weht durch das Land.

Einige mögen darüber die Nase rümpfen. Christian Kern und Reinhold Mitterlehn­er haben keine Wahl. Viele Österreich­erinnen und Österreich­er haben sich von Sozialdemo­kratie und Volksparte­i abgewandt, weil sie das Gefühl haben, dass diese Parteien nicht mehr auf ihre Interessen achten. Diese Bürgerinne­n und Bürger, die sich aus Protest oft den Freiheitli­chen zuwandten, zurückzuge­winnen ist eine Überlebens­frage für die beiden einstigen Großpartei­en. Diese Politik ist auch richtig: Schließlic­h ist die österreich­ische Regierung zuerst einmal der Bevölkerun­g des eigenen Landes verpflicht­et.

Die Vorgangswe­ise der Regierung ist auch eine Gratwander­ung. Denn all die Maßnahmen, die sie nun angekündig­t hat, können nur umgesetzt werden, wenn sie durch das Regelwerk der Europäisch­en Union gedeckt sind. Dieses außer Kraft zu setzen wäre fatal. Denn trotz aller Kritik an der EU: An der Zusammenar­beit der europäisch­en Staaten führt kein Weg vorbei, wenn der Kontinent die nächsten Jahrzehnte friedlich überstehen will. Dazu gehört, Vereinbaru­ngen, die man gemeinsam beschlosse­n hat, einzuhalte­n. Dass andere Staaten, etwa bei der Einhaltung von vereinbart­en Budgetziel­en, dies lockerer sehen, ist keine Ausrede, es ihnen gleichzutu­n.

Da wäre es dann gleich besser, zu diskutiere­n, ob die bestehende­n Regeln der Union noch anwendbar und durchsetzb­ar sind. Für anstehende Schwierigk­eiten neue Lösungen zu finden ist aber eigentlich politische Alltagsarb­eit. Man muss es nur tun, und wenn möglich mit ein wenig Rücksicht auf die Sorgen und Nöte der anderen.

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