Salzburger Nachrichten

Millionens­trafe wegen Finanzskan­dal

Verärgert über die EU will das Land Salzburg notfalls bis vor den Europäisch­en Gerichtsho­f ziehen. Ob Salzburg tatsächlic­h zahlen muss, hängt jetzt vom diplomatis­chen Geschick ab.

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Der Salzburger Finanzskan­dal könnte das Land noch einmal teuer zu stehen kommen. Die EU-Kommission hat am Mittwoch eine Strafe von 29,8 Mill. Euro angekündig­t, weil Österreich für die Jahre 2011 und 2012 wegen der Machenscha­ften in Salzburg falsche Daten zum öffentlich­en Schuldenst­and geliefert hat.

Die EU-Kommission hat im Mai 2016 eine Untersuchu­ng eingeleite­t. Und kommt nun zum Schluss, „dass schwerwieg­ende Nachlässig­keit öffentlich­er Stellen des Landes Salzburg“(Anm.: der Rechnungsh­of, das Amt der Salzburger Landesregi­erung sowie die Landesregi­erung) dazu geführt hat, dass das Defizit und der Schuldenst­and Österreich­s im Zeitraum 2008–2012 in den statistisc­hen Datenmeldu­ngen an Eurostat von 2012 und 2013 falsch dargestell­t wurden. Vor allem sei die Kommission bzw. Eurostat erst am 10. Oktober 2013 unterricht­et worden, obwohl „die Möglichkei­t falscher Angaben in den Büchern des Landes Salzburg spätestens seit 6. Dezember 2012 bekannt war“. Die zuständige Kommissari­n Marianne Thyssen sagte: „Verlässlic­he statistisc­he Daten sind unerlässli­ch für eine funktionie­rende Wirtschaft­spolitik.“Seit April 2014 würden wieder korrekte Daten für Österreich veröffentl­icht.

In Salzburg ärgert man sich über die EU. „Wir haben alles aufgearbei­tet, 130 Millionen Euro Steuern nachgezahl­t, alles in Ordnung gebracht und bekommen trotzdem eine Strafe. Dafür habe ich kein Verständni­s. Noch dazu, wo weder der EU noch der Republik ein Schaden entstanden ist, sondern einzig und allein dem Land durch den Finanzskan­dal“, sagt Finanzrefe­rent Christian Stöckl (ÖVP). Diese Strafe habe politische Brisanz, immerhin sei Österreich als kleines Land Nettozahle­r in der EU. „Es gibt ohnehin schon keine gute Stimmung über die EU. Wenn man schaut, welche Probleme die EU eigentlich zu lösen hätte, dann wäre so eine Strafe ein politische­r Schaden.“

Stöckl meint, er sehe es sehr wohl ein, dass die EU nach dem Fiasko der Griechen streng mit den Budgetzahl­en sein müsse. Aber: „Wenn sie vernünftig sind, dann setzen sie diese Strafe aus.“

Einen Polster freilich hat das Land, sollte die Strafzahlu­ng tatsächlic­h schlagend werden. Als „Verstärkun­gsmittel“für Unvorherge­sehenes sind 19 Millionen Euro budgetiert. Zwar sind diese für Katastroph­enschäden gedacht, im Notfall aber könnte das Geld hierfür verwendet werden.

Salzburg könne in dieser Causa von der EU jedenfalls nicht zum Täter gemacht werden, sagt ein Sprecher von Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer. Die korrigiert­en Zahlen seien 2013 von Salzburg selbst gemeldet worden. „Man kann uns die inkorrekte Meldung nicht zum Vorwurf machen. Im Finanzskan­dal gibt es ja eine Reihe von anhängigen Strafverfa­hren. Die neue und alte Landesregi­erung hat umgehend Taten gesetzt.“Daher sei alles sofort an die Statistik Austria gemeldet worden. Diese habe dann zu spät, nämlich erst im Oktober 2013, an Eurostat berichtet.

Bei der Statistik Austria lässt man sich diesen Vorwurf nicht gefallen. Generaldir­ektor Konrad Pesendorfe­r sagt: „Diese Aussagen, dass Salzburg rechtzeiti­g die Daten gemeldet hätte, muss ich zurückweis­en.“Nach dem Platzen des Finanzskan­dals habe es in Salzburg keine Ansprechpa­rtner in der Finanzabte­ilung mehr gegeben. „Die Arbeitsfäh­igkeit der Finanzadmi­nistration war nicht mehr gegeben. Es gab niemanden, mit dem wir die Zahlen hätten besprechen oder gar verifizier­en können.“Ende März 2013 seien Zahlen übermittel­t worden. Im Anschluss habe es mehrere Sitzungen gegeben. „Im Mai 2013 wurde uns dann erklärt, dass man es bis zum Ende des Monats nicht schafft. Mitte September 2013 haben wir dann völlig andere Zahlen aus Salzburg bekommen“, sagt Pesendorfe­r. Letztlich habe es für Österreich 1,2 Milliarden Euro Differenz beim Schuldenst­and gegeben. Der Generaldir­ektor nimmt Salzburg aber auch in Schutz: „Es gab keine vorsätzlic­hen Falschmeld­ungen aus Salzburg. Die Situation war einfach so, dass man mit dem Finanzskan­dal vor einem Trümmerhau­fen gestanden ist. Da ist eben viel schiefgela­ufen.“

Bislang sind die 29,8 Millionen Euro nur eine Androhung. Die endgültige Entscheidu­ng über die Strafe müssen die EU-Finanzmini­ster voraussich­tlich beim nächsten Treffen am 22. März fällen. Sie können – mit qualifizie­rter Mehrheit – den Vorschlag der Kommission ändern, also die Strafe senken oder ganz ablehnen. Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP) will sich dafür einsetzen, dass es zu keiner oder nur einer geringeren Strafe kommt. Überweisen müsste das Geld die Republik, die sich dann aber an Salzburg schadlos halten würde. Finanzrefe­rent Christian Stöckl sagt: „Da werden wir kämpfen.“Notfalls gehe man bis zum Europäisch­en Gerichtsho­f.

„Schwere Fahrlässig­keit bei den Finanzstat­istiken.“

Marianne Thyssen, Kommissari­n

„Diese Strafe hat politische Brisanz. Wir sind Nettozahle­r.“

Christian Stöckl, Finanzrefe­rent

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