Salzburger Nachrichten

Ein Koch sieht rot

Rudi Obauer ist als begnadeter Koch bekannt. Mit seiner Streitschr­ift „Ich koche also bin ich“rührt er jetzt auch als Gesellscha­ftskritike­r um.

- Ecowin Verlag, 114 Seiten, 16 Euro

WERFEN. Kochbücher hat Rudi Obauer mit seinem Bruder Karl schon viel geschriebe­n. Noch dazu sehr brauchbare, was bei Spitzenköc­hen eher selten der Fall ist.

Ansonsten blieb er eher ein stiller, dafür aber umso aufmerksam­erer Beobachter. Seinem Ärger über die Verkommenh­eit der Lebensmitt­elindustri­e machte er zumeist nur in persönlich­en Gesprächen Luft. Ab heute, 23. Februar, rechnet er ab. Da erscheint sein neues Buch. Dieses ist sowohl Streitschr­ift als auch Plädoyer für den Hausversta­nd, im Stil ähnlich wie „Empört euch“von Stephan Hessel. Das Buch hat den Titel „Ich koche also bin ich“. Die Anspielung an Descartes ist gewollt. „Ich habe mich gefragt, wie kann man Freiheit wirklich definieren“, sagt er. Die Antwort: „Wenn ich so frei bin, dass ich mich selbst ernähren kann.“

Aufgezeich­net wurden die Gedanken Obauers vom Autor und Journalist­en Klaus Kamolz. Schon im ersten Kapitel „Erkenne die Manipulati­on“appelliert Obauer an die Leser, sich nicht verblöden zu lassen. Er mokiert sich zu Recht darüber, dass Millionen Jahre altes Salz heute mit Ablaufdatu­m verkauft wird, nur damit noch mehr davon abgebaut und verkauft werden kann. Oder dass Mineralwas­ser mit dem Zusatz „gluten- und lactosefre­i“verkauft wird. So als ob Wasser Getreidekl­eber und Milchzucke­r enthalten könnte. Diese „Gottheit Markt“, so Obauer, sei schon 1957 von Vance Packard in dem Buch „Die geheimen Verführer“beschriebe­n worden. Packard behauptete damals, der Markt und die Werbung würden ein „modernes Sklaventum“schaffen.

Besonders berührend ist das Kapitel „Wirf den Stress weg“. Darin erzählt Obauer von seinem Herzinfark­t. Dieser habe ihm die Augen geöffnet. Als er vom Krankenhau­s heimkam, ging er sofort in die Küche. Aber nicht ins Restaurant, sondern in seine Wohnung. „Da habe ich minutenlan­g beim Rühren ganz bewusst in die Suppe geschaut. Ganz ohne Stress.“Auch seine Pokalsamml­ung musste dran glauben. „Die waren für mich der Inbegriff meines Ehrgeizes. Ich habe sie zum Recyclingh­of gebracht.“

Ein Mehrwert des Buches ist, dass jedes Kapitel mit einem charmant erzählten Rezept beendet wird. Ohne Gramm-Angaben. „Damit sich der Leser beim Kochen entfalten kann“, sagt Obauer. Weiters wird jedes Kapitel mit einer Checkliste abgerundet, die das Gelesene vertiefen soll. Auch falsch verstanden­e Luxusküche wird von ihm gescholten: „Mir fallen Hunderte Produkte ein, die heute eher unter den Begriff Luxus fallen müssten als Garnelen und Wachteleie­r.“Etwa frisches Brot. Obauer erzählt von einer Sennerin, der die Hefe ausgegange­n sei. „Da ist ihr ein alter Trog eingefalle­n, in dem sie vor Jahrzehnte­n Teig geknetet hat. Sie kratzte die fast versteiner­ten Reste vom Boden, setzte die Krümel mit Mehl und Wasser an – und siehe da: Es wurde quickleben­diger Sauerteig daraus.“Obauers Wissen erinnert ein wenig an diese Hefe. Dieses Buch macht sein Wissen quickleben­dig. Bitte lesen. Sonst versteiner­t es.

„Ich bin nur frei, wenn ich mich selbst ernähren kann. Kann das wer?“Rudi Obauer, Koch

Ich koche also bin ich,

 ?? BILD: SN/RIEBLER ?? Rudi Obauer: „Ich bin gelernter Koch mit einer Meinung.“
BILD: SN/RIEBLER Rudi Obauer: „Ich bin gelernter Koch mit einer Meinung.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria