Sicherheit ist heute mehr als das Militärische
Die Friedensforscher sind verzweifelt. Zerplatzt ist die Hoffnung, dass nach dem Kalten Krieg eine Ära der Abrüstung folgen könnte.
Die Zeichen stehen leider wieder weltweit auf Aufrüstung. Die Waffenexporte zum Beispiel liegen neuerlich auf dem Niveau der Zeit vor 25 Jahren; ein Großteil dieser Rüstungsgüter geht in Krisengebiete des Nahen Ostens und Asiens.
Ein wichtiger Punkt im Programm von Präsident Donald Trump ist, den enormen Militäretat der USA weiter zu steigern, obwohl Amerika nach wie vor die global stärkste Militärmacht ist – mit riesigem Vorsprung vor weltpolitischen Rivalen wie Russland und China. Zugleich drängt Washington die Partner in der NATO mit neuem Nachdruck, endlich wie vereinbart zwei Prozent des jeweiligen Bruttosozialprodukts für Verteidigung auszugeben.
Zwar erkennen die Europäer, dass sie künftig mehr Geld in diesen Bereich stecken müssen. Zum einen, weil es neue Bedrohungsbilder gibt, wie den aufgeflammten Konflikt mit Russland, den islamistischen Terror oder die Cyberkriege. Zum anderen, weil Amerika für die „Trittbrettfahrer“in Europa erstmals die Beistandsverpflichtung in der NATO in Zweifel zieht und damit trotz aller Treueschwüre den Wert der Atlantischen Allianz überhaupt infrage stellt.
Der Streit um das Zwei-Prozent-Ziel wird jetzt Teil des deutschen Wahlkampfs und wirft sofort ein Schlaglicht darauf, wie wenig sinnvoll diese Vorgabe ist. Die USA erklären, dass sie rund 70 Prozent aller NATO-Ausgaben trügen, die Europäer hingegen nicht einmal ein Drittel („unfaire Lastenverteilung“). Aber die USA geben das Geld vor allem für sich selbst aus; sie stellen (wie Briten und Franzosen) nur einen Teil ihrer ganzen Militärmacht in den Dienst der NATO.
Vor allem wird in dem Zwei-Prozent-Ziel ein anachronistisch noch immer auf das rein Militärische reduzierter Sicherheitsbegriff sichtbar. Entwicklungshilfe und Klimaschutz, Krisenprävention und Diplomatie zählen jedoch mittlerweile unabdingbar zur Sicherheit. Die Deutschen etwa zahlen jetzt große Summen für die Integration von Flüchtlingen, die durch die unbedachten Militärinterventionen der Amerikaner in Nahost entwurzelt worden sind.
Das weltpolitisch wenig kundige Trump-Team blendet aus, was eine Umsetzung der NATO-Richtlinie für die inneren Kräfteverhältnisse in Europa bedeutet: Deutschland als stärkste Wirtschaftsnation wird zur stärksten Militärmacht auf dem Kontinent. Krisenstaaten Südeuropas, die das Zwei-Prozent-Ausgabenziel der NATO erreichen sollen, verfehlen das Drei-Prozent-Defizitziel der Eurozone. Also: Noch einmal nachdenken, noch einmal reden mit Amerika.