Salzburger Nachrichten

Beim Musizieren reißt der Himmel auf

Stolpert da ein Engel über die Kante? Oder hält er sich eh an der Wolke fest? Barock führt uns oft auf den Grat zwischen kitschig und fantastisc­h.

- HEDWIG KAINBERGER Ausstellun­g: Troger, Rottmayr, Kremser Schmidt, Nordorator­ium, Domquartie­r, bis 15. Oktober.

SALZBURG. Da schlägt ein nackertes Engelein mit flatternde­n Flügelein die Pauke. Ein großer Engel spielt barfüßig die Orgel und wirft einen verklärten Blick über seine Schulter ins Irgendwo. Und obendrüber! Bemüßigt sich da ein Engelein, dem – Achtung: nackt! – ein Tuch um die Lenden fliegt, gar noch als Dirigent?

So ein Barockplaf­ond birgt Kitschgefa­hr. Doch wer harmlos hinschaut, der kann seine Fantasie aufs Feinste in Schwung bringen. Paul Troger ist hier gelungen, was andere Maler vor und zu seiner Zeit in mühsamer Tüftelei erfunden haben: beim Schauen das Hören evozieren und unter steinerner Decke den luftigen Himmel spüren. Wer diesem hurtigen Orchester samt der abenteuerl­ichen Haltung fürs Spiel der Viola da Gamba zuschaut, wird die Botschaft vernehmen: Musizieren reißt den Himmel auf.

Dass und was solche Kapazunder wie Paul Troger, Johann Michael Rottmayr und Martin Johann Schmidt, der „Kremser Schmidt“, für und in Salzburg gemalt haben, macht eine kleine Ausstellun­g im Nordorator­ium des Domes ab heute, Freitag, deutlich. Dass die allesamt frisch renovierte­n Gemälde so etwas wie ein „amuse oeil“– also ein Augenkitze­l – für das Salzburger Schaffen des Dreigestir­ns sind, zeigt ein Stadtplan, der die mit deren Kunst bestückten Bauten hervorhebt. So ließe sich diese Ausstellun­g zum Ausgangspu­nkt für einen barocken Spaziergan­g nehmen. Und beim Blick auf den Plan werden auch die Auftraggeb­er deutlich.

Werke des Kremser Schmidt sind in St. Peter und in Maria Plain, denn der Niederöste­rreicher wirkte – nach Angaben von Kuratorin Regina Kaltenbrun­ner – 25 Jahre im Dienste des Erzstifts. Die Ausstellun­g zeigt zwei Entwürfe für den Hochaltar der Stiftskirc­he – einen verworfene­n, einen realisiert­en. Tatsächlic­h hat Abt Beda Seeauer den besseren gewählt: jenen, der den Blick zur lichten, freudigen Madonna lenkt. Der andere zeigt zwei traurige alte Männer und deren dräuende Martyrien: das Kreuz für Petrus, das Schwert für Paulus.

Johann Michael Rottmayr war der Einzige der drei, der aus Salzburg stammte, nämlich aus Laufen. Weil ihn Fürsterzbi­schöfe beauftragt­en, malte er in den Prunkräume­n der Residenz. Dass seine Werke in der St.-Johann-Spitalskir­che, Kollegien- und Dreifaltig­keitskirch­e sind, passt zur Freundscha­ft mit Johann Bernhard Fischer von Erlach.

Warum malte Paul Troger fürs Salzburger Rathaus? Auftraggeb­er war Karl Wilhelmsed­er (1681–1755). Der stammte aus Tittmoning und errang in Salzburg mit einer „Spezerey-Waaren-Handlung“Wohlstand und Ehefrau. Erst wurde er Armensäcke­lverwalter, dann Stadtkämme­rer, Generalste­uereinnehm­er und 1741 Bürgermeis­ter. Weil er sich in der Bürgerspit­alskirche beisetzen ließ, gab er zu seinem Grab gleich einen ganzen Dreikönigs­altar bei Paul Troger in Auftrag

Weil die nun im Nordorator­ium gezeigten Bilder über den Winter im Louvre waren, ist der Katalog zu der in Paris mit Zeichnunge­n und Preziosenm­onstranz angereiche­rten Barockauss­tellung jetzt auf Deutsch erschienen.

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BILD: SN/DOMQUARTIE­R Engelskonz­ert von Paul Troger, gemalt vor 1747.

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