Den Wutbürger peinigt die Besserwisserei
Wenn Herr Biedermann die Zeitung liest, weiß er, was zu tun wäre: „Aufhängen sollte man sie“, ruft er und meint Hausierer und Brandstifter. Man könnte sich diesen wütenden Besserwisser, wie Marcus Marotte ihn nun im Schauspielhaus Salzburg spielt, gut in einem heutigen Kaffeehaus oder am Stammtisch vorstellen, wenn die Rede auf Leute kommt, die – damals wie heute – nicht in bürgerlicher Sicherheit gebettet sind.
Damals war – nach dem Datum der Uraufführung – im Jahr 1958. Derweil ist das Stück des Schweizers Max Frisch in Aufführungen über viele Bühnen und in Schullektüre durch noch mehr Deutschstunden gegangen. Ob „Biedermann und die Brandstifter“heute noch taugt, prüft seit Mittwochabend das Schauspielhaus Salzburg.
Viele Szenen lässt Regisseur Peter Raffalt beginnen oder enden, indem die Schauspieler vor der einfärbig beleuchteten Rückwand verharren. So sind die Körper nur als schwarze Flächen sichtbar. Dies passt zu all diesen schwarz-schwarz gemalten Egoisten – hier das spießige Ehepaar Biedermann, da die nichtsnutzigen, halbstarken Rabauken, die sich bei den Biedermanns einnisten und am Ende das Haus samt Eheleuten in Brand stecken. Markant konturiert spielen auch die Schauspieler ihre Figuren – oft mit so viel Emphase, dass die Charaktere sarkastisch überzeichnet werden, etwa Susanne Wende als exzentrische Ehefrau Babette oder Magdalena Oettl als aufgescheuchtes Dienstmädchen Anna.
Marcus Marotte führt eine facettenreiche Version eines kleingeistigen Bürgers vor: der sich gewaltbereit geriert, tatsächlich aber feige ist; der viel redet, aber kaum mehr als Phrasen dreschen kann; der über Tüchtige doziert, selbst aber andere herumkommandiert. Marcus Marotte gelingt noch mehr: Er bringt uns diesen empörten Wohlstandsmenschen, der seinen Besitz gegen Eindringlinge verteidigt, so nahe, dass man erschrocken stutzt: Sind wir auch Biedermänner? Theater: „Biedermann und die Brandstifter“, von Max Frisch, Schauspielhaus Salzburg, bis 7. April.