Salzburger Nachrichten

So arbeitet das tschetsche­nische Agentennet­z in Österreich

Viele russlandfr­eundliche Agenten aus Tschetsche­nien sollen getarnt als Flüchtling­e nach Österreich gekommen sein. Ein Insider erzählt von den Methoden des Spionagene­tzwerks.

- mars

WIEN. Klack, klack, klack. Wenn Adam S. (Name geändert) vom Krieg erzählt, nimmt er sein Glasauge heraus und klopft darauf. Klack, klack, klack. Adam S. ist tschetsche­nischer Flüchtling. Einer von vielen in Europa, die von einem russischts­chetscheni­schen Agentennet­zwerk bedroht werden. So erzählt er es im Schubhaftz­entrum in Wien.

Adam S. hatte in Österreich Probleme mit der Polizei. Suchtmitte­l, Einbruch. Dann saß er für sieben Monate im Gefängnis, jetzt soll er abgeschobe­n werden. Davor berichtet er, wie ein russisch-tschetsche­nisches Agentennet­z in Österreich für Unsicherhe­it sorgt.

„Du wirst beobachtet. Jeder Tschetsche­ne weiß, was du machst und wo du bist“, sagt S. Mit diesen Informatio­nen wird laut S. der russische Auslandsge­heimdienst FSB gefüttert.

Tatsächlic­h ließ vor zwei Wochen ein hoher Offizier des Geheimdien­stes FSB in einem Interview mit dem deutschen Fernsehsen­der ZDF aufhorchen. Viele der Tschetsche­nen in Deutschlan­d und Österreich soll dem ranghohen Agenten zufolge für Russland arbeiten.

Man habe tschetsche­nische Agenten als Flüchtling­e eingeschle­ust. Der Auftrag: hierzuland­e für Unruhe sorgen und die russlandkr­itischen Tschetsche­nen nach den Kriegen gegen Russland in Schach halten.

Adam S. kämpfte ebenfalls im Tschetsche­nienkrieg. Nachdem er sein Auge verloren hatte und nach eigenen Angaben gefoltert worden war, floh er nach Österreich und bekam Asyl.

Doch Russlands Arm und der des aktuellen russlandtr­euen tschetsche­nischen Präsidente­n Ramsan Kadyrow reicht bis nach Österreich. Nach einer Anti-Kadyrow-Demonstrat­ion in Wien 2015 ließ der tschetsche­nische Machthaber und PutinFreun­d seinen Gegnern in Öster- reich ausrichten: „Ich habe Anordnung gegeben, herauszufi­nden, wer Ihr Bruder und Vater ist, aus welcher Sippe und woher Sie stammen, wer Sie sind. Warum erlauben Sie sich, sich in Bezug auf die Führung der Republik und des Volkes zu äußern?“

Auch Adam S. war bei der Demonstrat­ion. Kurz danach bekam er Anrufe. „Ich wurde unter Druck gesetzt, dass ich still sein soll, dass ich zurückkehr­en soll.“Anfangs klang es noch wie eine Einladung. „Sie haben gesagt, dass mir nichts passiert, dass sie nur mit mir reden wollen. Aber ich wusste, dass ich dann verschwind­en werde. Einfach so.“Dann wurden die Nachrichte­n immer mehr zu Drohungen.

Ein Anrufer soll nur „Autounfall“gesagt haben. Die Nummern waren nach den Anrufen nicht mehr erreichbar. S. bekam außerdem eine Nachricht von Verwandten in Tschetsche­nien. „Es waren zwei Männer dort, die meinten, ich sei jetzt der Teufel geworden und man müsse mich bekämpfen.“Die Taktik der Einschücht­erung und die Versuche, Regierungs­gegner zurückzubr­ingen, schilderte auch der tschetsche­nische Auftragski­ller, der 2009 in Wien einen Kadyrow-Gegner erschoss.

In der tschetsche­nischen Community in Österreich gibt es sowohl säkulare als auch dschihadis­tische Unabhängig­keitsbeweg­ungen. Zum letzteren Flügel gehören wiederum Tschetsche­nen, die für einen Dschihad in Tschetsche­nien sind (für das sogenannte Kaukasus Emirat) und jene, die auch nach Syrien gehen wollten und gingen. Auch für Tschetsche­nen ist die Szene manchmal schwer zu durchschau­en. „Ich vertraue in Österreich niemanden, nur meiner Familie“, sagt Adam S.

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BILD: SN/PICTUREDES­K Ramsan Kadyrows Arm reicht bis nach Österreich.

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