Der erste Sieger steht schon fest
Gregor Schlierenzauer schaffte es ins ÖSV-Springerteam für den Normalschanzenbewerb. Dabei ist schon allein sein Comeback, nur 17 Tage nach seinem Sturz, eine Erfolgsgeschichte.
Dankbarkeit lautet das Wort, das Gregor Schlierenzauer derzeit mit einer auffallenden Häufigkeit verwendet. Dankbar ist der 53-fache Weltcupsieger für das, was er in seiner einzigartigen Karriere schon erreicht hat und erleben durfte. In Lahti zeigt sich Schlierenzauer vor allem dafür dankerfüllt, dass er überhaupt hier bei der WM neben seinen Teamkollegen sitzen dürfe. Das sei zweieinhalb Wochen nach seinem Sturz beim Skifliegen in Oberstdorf keine Selbstverständlichkeit. „Die letzten 17 Tage waren eine Herausforderung“, sagt der mehrfache Weltmeister, der sich nach einer missglückten Landung schwere Prellungen am ganzen Körper und eine Bänderverletzung im Knie zugezogen hatte.
„Zu Beginn konnte ich weder in eine gescheite Hockeposition kommen noch ins Auto steigen“, erzählt Schlierenzauer. Nun sei sein körperliches Befinden um ein Vielfaches besser, als Schmerzen dürfe man die noch verbliebenen Probleme nicht bezeichnen. „Ab und zu zwickt’s halt, aber man wird ja auch älter“, betont der 27-jährige Tiroler mit einem Lächeln.
Die Chancen, die WM live in Lahti und nicht daheim vor dem TV zu erleben, bezifferte Schlierenzauer von Beginn an auf 50:50. „Als ich nach dem Sturz im Krankenhaus die OP-Lampen gesehen habe, dachte ich mir: ,Oh nein, werde ich jetzt wieder operiert?‘ Und jetzt bin ich hier bei der WM. Dass ich das geschafft habe, dafür bin ich sogar extrem dankbar.“Jetzt spiele die Zeit für ihn. „Ich fühle mich von Tag zu Tag besser“, sagt Schlierenzauer, der im Training am Donnerstag auf Weiten von 87,5, 90,5 und 94,5 Metern kam und damit den vierten ÖSV-Startplatz für den Normalschanzenbewerb am Samstag (16.30 Uhr, Qualifikation heute 13.30 Uhr) ergatterte. Außerdem hat Cheftrainer Heinz Kuttin den vierfachen Saisonsieger Stefan Kraft, Michael Hayböck und Manuel Fettner nominiert. Andreas Kofler und Markus Schiffner müssen zuschauen. Schlierenzauer darf sich damit als erster Sieger dieser WM fühlen.
Nun traut sich der Gewinner von 16 WM-Medaillen (inklusive Skiflug-WM) in Lahti sogar eine Medaille zu. „Um die Medaillen mitzumischen, das muss das Ziel sein“, meint Schlierenzauer. Es wäre ein Edelmetall von ganz besonderem Stellenwert. „Manchmal geht es nicht um den Moment, wenn man eine Medaille in der Hand hält, sondern viel mehr um die Geschichte, die hinter dem Ergebnis steht. Bei der Weltmeisterschaft 2011 in Oslo war die Situation ähnlich. Davor war ich auch verletzt und bin dann zu Gold gesprungen. Mit so einem Hintergrund bekommt eine Medaille einen ganz anderen Wert“, sagt Schlierenzauer. Auch zur WM 2015 nach Falun kam der ÖSV-Adler nicht unbedingt in toller Form, holte dann aber zwei Mal Silber.
Ist es das, was einen Ausnahmekönner ausmacht? „Sagen wir so: Der Killerinstinkt ist mir sicher nicht abhandengekommen“, betont Schlierenzauer. „Ich denke, das habe ich in den vergangenen Jahren oft genug bewiesen. Das ist etwas, das man nicht lernen kann, das hat man in den Genen.“