Wie ihnen der Schnabel gewachsen ist
Der neue Odenthal-„Tatort“erlegt den Zuschauern eine Qualitätsquarantäne in rufschädigendem Ausmaß auf.
Der „Tatort“gerät zur Stegreifposse. Der neue Krimi mit Kommissarin Lena Odenthal verabschiedet sich mit dem programmatisch betitelten Fall „Babbeldasch“aus dem Kreis gesellschaftskritischer Hardboiler. Aber weil der Sender so begeistert ist, soll noch ein zweiter Krimi mit Ulrike Folkerts drehbuchbefreit entstehen.
Zum Delikt: Um diesen „Tatort“lebendiger, spontaner zu machen, wurde das Rezept nicht verändert, sondern gänzlich neu geschrieben. Beziehungsweise nicht geschrieben, sondern improvisiert. Nur die Zutaten, die Hauptdarsteller, bleiben gleich. Das Drehbuch wurde weggesperrt bzw. eingespart, aber einige Seiten müssen dieser Tortur getrotzt haben, denn es gibt Szenen, die bündig und kompakt wirken und den Abfall im Vergleich zur übrigen Stegreif-Beliebigkeit noch deutlicher machen.
Die Schauspieler, es sind Laiendarsteller einer Ludwigshafener Amateurbühne, schaffen es vielleicht, die Atmosphäre eines gemütlichen Beisels zu generieren. Es sind Backstage-Eindrücke eines Haufens aufdringlicher Originale und unausgegorener Figuren, die vielleicht als Büttenredner taugen. Fasching: natürlich. Aber bitte woanders!
Eine Handlung lässt sich zwar verorten, denn die Prinzipalin der Mundartbühne Babbeldasch wird vergiftet. Aber dann geht es schon los – etwa mit Visionen, denen kein Arzt beikommen kann. Lena erscheint das Opfer in Träumen, es ist eine an Trude Herr erinnernde wohlbeleibte Matrone, die sich zuvor als Stimmungskanone versucht hat. Sie droht Lena, sie werde ihr ewig im Traum erscheinen, sollte Lena den Täter nicht ermitteln.
Der Regisseur von „Babbeldasch“gilt zwar als Improvisationskünstler, aber diese Art Fernsehen sollte Privatsendern vorbehalten bleiben, die können das auch besser. Die Reality-Anmutung will lebensnah sein, ist tatsächlich aber nur kopflos und oftmals sogar peinlich.
Ein Albtraum für die Zuschauer: Die Laiendarsteller sprechen und streiten in breitester Mundart. Zum Streit gibt es einen Grund: Der Vermieter meldet Eigenbedarf für den Theatersaal an, die Existenz der Bühne ist in Gefahr. Und er ist auch des Mordes verdächtig. Mittlerweile treibt der Film hart an der Grenze zur Anarchie vor sich und man be- ginnt den Wert von scripted reality zu schätzen, die anderswo betrieben wird.
„Babbeldasch“wird seinem Namen vollinhaltlich gerecht. Wenn von unseren nördlichen Nachbarn Kritik an Dialekten in österreichischen Filmen laut wird: Diese Zuschauer sollen erst einmal den eigenen „Tatort“entschlüsseln.
Immerhin hat sich Lenas Kollege Kopper (Andreas Hoppe) für diese Folge Urlaub genommen, recht hat er! Vielleicht machen das auch manche Zuschauer.
Tatort: Babbeldasch, Sonntag, 20.15 in ORF 2 und der ARD.