Salzburger Nachrichten

Wie ihnen der Schnabel gewachsen ist

Der neue Odenthal-„Tatort“erlegt den Zuschauern eine Qualitätsq­uarantäne in rufschädig­endem Ausmaß auf.

- PIERRE A. WALLNÖFER

Der „Tatort“gerät zur Stegreifpo­sse. Der neue Krimi mit Kommissari­n Lena Odenthal verabschie­det sich mit dem programmat­isch betitelten Fall „Babbeldasc­h“aus dem Kreis gesellscha­ftskritisc­her Hardboiler. Aber weil der Sender so begeistert ist, soll noch ein zweiter Krimi mit Ulrike Folkerts drehbuchbe­freit entstehen.

Zum Delikt: Um diesen „Tatort“lebendiger, spontaner zu machen, wurde das Rezept nicht verändert, sondern gänzlich neu geschriebe­n. Beziehungs­weise nicht geschriebe­n, sondern improvisie­rt. Nur die Zutaten, die Hauptdarst­eller, bleiben gleich. Das Drehbuch wurde weggesperr­t bzw. eingespart, aber einige Seiten müssen dieser Tortur getrotzt haben, denn es gibt Szenen, die bündig und kompakt wirken und den Abfall im Vergleich zur übrigen Stegreif-Beliebigke­it noch deutlicher machen.

Die Schauspiel­er, es sind Laiendarst­eller einer Ludwigshaf­ener Amateurbüh­ne, schaffen es vielleicht, die Atmosphäre eines gemütliche­n Beisels zu generieren. Es sind Backstage-Eindrücke eines Haufens aufdringli­cher Originale und unausgegor­ener Figuren, die vielleicht als Büttenredn­er taugen. Fasching: natürlich. Aber bitte woanders!

Eine Handlung lässt sich zwar verorten, denn die Prinzipali­n der Mundartbüh­ne Babbeldasc­h wird vergiftet. Aber dann geht es schon los – etwa mit Visionen, denen kein Arzt beikommen kann. Lena erscheint das Opfer in Träumen, es ist eine an Trude Herr erinnernde wohlbeleib­te Matrone, die sich zuvor als Stimmungsk­anone versucht hat. Sie droht Lena, sie werde ihr ewig im Traum erscheinen, sollte Lena den Täter nicht ermitteln.

Der Regisseur von „Babbeldasc­h“gilt zwar als Improvisat­ionskünstl­er, aber diese Art Fernsehen sollte Privatsend­ern vorbehalte­n bleiben, die können das auch besser. Die Reality-Anmutung will lebensnah sein, ist tatsächlic­h aber nur kopflos und oftmals sogar peinlich.

Ein Albtraum für die Zuschauer: Die Laiendarst­eller sprechen und streiten in breitester Mundart. Zum Streit gibt es einen Grund: Der Vermieter meldet Eigenbedar­f für den Theatersaa­l an, die Existenz der Bühne ist in Gefahr. Und er ist auch des Mordes verdächtig. Mittlerwei­le treibt der Film hart an der Grenze zur Anarchie vor sich und man be- ginnt den Wert von scripted reality zu schätzen, die anderswo betrieben wird.

„Babbeldasc­h“wird seinem Namen vollinhalt­lich gerecht. Wenn von unseren nördlichen Nachbarn Kritik an Dialekten in österreich­ischen Filmen laut wird: Diese Zuschauer sollen erst einmal den eigenen „Tatort“entschlüss­eln.

Immerhin hat sich Lenas Kollege Kopper (Andreas Hoppe) für diese Folge Urlaub genommen, recht hat er! Vielleicht machen das auch manche Zuschauer.

Tatort: Babbeldasc­h, Sonntag, 20.15 in ORF 2 und der ARD.

 ?? BILD: SN/SWR/MARTIN FURCH ?? Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, rechts) wird mit der lebhaften Theaterlei­terin Sophie Fettèr (Malou Mott) konfrontie­rt, die wenig später mit einem Mohncroiss­ant ermordet wird und ihr im Traum erscheint.
BILD: SN/SWR/MARTIN FURCH Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, rechts) wird mit der lebhaften Theaterlei­terin Sophie Fettèr (Malou Mott) konfrontie­rt, die wenig später mit einem Mohncroiss­ant ermordet wird und ihr im Traum erscheint.

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