Salzburger Nachrichten

Macht euren Dreck alleene!

Es ist höchst an der Zeit, den Frauentag zu repolitisi­eren. Das heißt, Frauen müssen wieder laut werden. Protest wirkt.

- KARIN.ZAUNER@SALZBURG.COM Karin Zauner

Der letzte Sachsenkön­ig Friedrich August III. soll 1918 mit den Worten „Macht euren Dreck alleene!“abgedankt haben. Ein Satz wie gemacht für Frauen. In eine ähnliche Richtung schrieb dieser Tage ein pensionier­ter Kollege dieser Zeitung ein E-Mail, um uns Frauen zu Taten zu ermuntern. Er ging in der Geschichte noch weiter zurück als bis zum Sachsenkön­ig und verwies auf die griechisch­e Komödie „Lysistrata“, in der Frauen aus Athen und Sparta einen Plan ersinnen, wie der zwanzig Jahre dauernde Krieg beendet werden kann. Die Frauen streiken und verweigern sich ihren Männern so lang, bis diese Frieden schaffen. Überträgt man den Sachsenkön­ig und die gewieften griechisch­en Frauen ins Hier und Jetzt, heißt dies: Mit feiner Diplomatie, mit freundlich vorgetrage­nen Fakten und dem Warten, dass sich irgendwann alles schon zum Besseren ändern wird, kommen wir beim Thema Gleichbere­chtigung nicht voran. Und das bedeutet nicht zuletzt eine gewaltige ökonomisch­e Schieflage zuungunste­n der Frauen. Es ist an der Zeit, wieder laut zu werden.

Heute ist Weltfrauen­tag. Ein Tag, an dem traditione­ll Politiker und Organisati­onen aller Art auf die Ungleichhe­it von Frauen und Männern vor allem in Wirtschaft, Politik und Beruf hinweisen und Veränderun­g fordern. Um tags darauf alles wieder zu vergessen. Der Weltfrauen­tag wird mancherort­s derart ins Lächerlich­e gezogen, dass in Einkaufsze­ntren Blümchen und Süßes an Frauen verteilt werden. Thema verfehlt!

Es ist angesichts des öffentlich wieder salonfähig gewordenen Sexismus, der bestehende­n Altersarmu­t von Frauen und der durch unglaublic­he Teilzeitqu­oten zusätzlich drohenden Altersarmu­t sowie der ungleichen Verteilung von unbezahlte­r Arbeit höchste Zeit, in Aktion zu treten und Frauenthem­en zu repolitisi­eren. Frauen müssen dieser Tage wieder stärker auftreten. Dass das wirkt, haben die Polinnen mit Demonstrat­ionen gezeigt, mit denen sie ein geplantes generelles Abtreibung­sverbot gekippt haben.

Arme Frauen, erfolgreic­he Frauen, jene des Mittelstan­ds, Migrantinn­en, Lesben, Mütter oder Frauen ohne Kinder mögen leidenscha­ftlich unterschie­dlicher Meinung sein. Dennoch können sie herzerfris­chend loyal, gemeinsam und mit gleichgesi­nnten Männern gegen den Verfall von Würde und Rechten sowie die ungerechte Verteilung von Geld und Macht demonstrie­ren. Sollte das nicht helfen, bleiben immer noch der Sachsenkön­ig und die griechisch­en Weiber.

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