Ein Verbot und viele Fragen
Wie schnell kann ein Gesetz, das türkische Wahlkampfauftritte in Österreich untersagt, in Kraft treten? Und ist so eine Regelung überhaupt mit unserem Verfassungsrecht vereinbar?
WIEN. SPÖ und ÖVP sind sich einig: Innertürkische Konflikte haben auf österreichischem Boden nichts verloren. Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich sollen daher verboten werden. Hier zentrale Fragen und Antworten zu den Regierungsplänen.
1. Wie und wo soll das Verbot konkret geregelt sein? Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) will das Versammlungsgesetz ändern. Es soll ein Passus eingefügt werden, der etwa so lauten soll: „Der Innenminister kann im Einvernehmen mit dem Außenminister und der gesamten Bundesregierung einem ausländischen Politiker die Teilnahme an einer Veranstaltung, die nicht der Wahl zu einem inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörper dient, untersagen, wenn dies dem Schutz der in der Europäischen Menschenrechtskonvention liegenden Menschen- und Grundrechte dient.“
2. Soll das Gesetz nur für türkische Politiker gelten? Gemäß dem Wortlaut soll es für alle ausländischen Politiker gelten, deren Auftritte die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit gefährden. Derzeit geht es aber nur um türkische Politiker, die seit 2014 immer wieder bei der großen türkischen Minderheit im Land (rund 90.000 Türken in Österreich sind offiziell noch in der alten Heimat wahlberechtigt) auf Stimmenfang gehen.
3. Will die Regierung auch Einreiseverbote verhängen? Das müssten im Ernstfall die Sicherheitskräfte entscheiden, sagt Sobotka. Wenn etwa der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan als politischer Staatsgast komme, „ist er willkommen“, sagt Sobotka. Bei einem „politischen Auftritt“gebe es hingegen „mehrere Mittel, dies zu untersagen“. Seiner Meinung nach werde es aber reichen, die jeweilige Veranstaltung zu untersagen.
4. Ist das geplante Verbot überhaupt rechtskonform? Kommt auf die endgültige Formulierung an. Rechtsexperten sehen wenig Spielraum für ein generelles Verbot türkischer Wahlkampfveranstaltungen. Laut Verfassungsrechtler Theo Öhlinger ist das nur möglich, wenn durch einen Auftritt die Spannungen in der türkischen Minderheit derart steigen würden, dass Gewalttaten zu befürchten sind. Ähnlich argumentiert sein Kollege Bernd-Christian Funk. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ein Auftrittsverbot unter Verweis auf die freie Meinungsäußerung abgelehnt. Sobotkas roter Spiegelminister Hans Peter Doskozil meinte dazu, dass es sich dabei natürlich um ein „verfassungsrechtlich hohes Gut“handle. Aber dass es wichtig sei, „dass wir eine klare Linie verfolgen“.
5. Wie schnell kann das Gesetz in Kraft treten? Laut Experten Werner Zögernitz ist das rasch möglich; jedenfalls noch vor dem türkischen Verfassungsreferendum am 16. April, mit dem Erdoğan seine Machtbefugnisse stark ausdehnen will und wofür er und seine Mitstreitern auch die Auslandstürken gerade heftig umwerben. Konkret könnte bereits kommende Woche bei der geplanten Sondersitzung des Nationalrats der Gesetzesentwurf dem Verfassungsausschuss zugewiesen werden und das Gesetz bei der nächsten regulären Sitzung am 29. März beschlossen werden. Der Bundesrat tagt dann am 6. April. Mit der anschließenden Beurkundung des Bundespräsidenten kann das Gesetz in Kraft treten. Eine kurze Begutachtung wäre dann möglich, wenn man Zuweisung in den Ausschuss und Beschluss auf den 29. und 30. März konzentrieren würde (das bedürfte einer Zweidrittelmehrheit).