Salzburger Nachrichten

Die sagenhafte Toleranz der Islamische­n Glaubensge­meinschaft

Europas Frauen haben das Kopftuch längst abgelegt. Nur wer sehr von gestern ist, wärmt das Thema jetzt wieder auf.

- HEVI Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SALZBURG.COM

Schön langsam muss einem das Thema schwer auf die Nerven gehen. Gerade hatten wir die Debatte um ein Kopftuchve­rbot im sogenannte­n öffentlich­en Raum, in Behörden und Schulen, da legt die Islamische Glaubensge­meinschaft in Österreich (IGGÖ) ein paar Scheiter nach in dieses politische Feuerchen. Sie spricht von einem Kopftuchge­bot für alle Moslems weiblichen Geschlecht­s ab dem Eintreten der Pubertät.

Wenn die Glaubensge­meinschaft keine anderen Probleme hat, dann möge sie dieses Problemche­n doch bitte so intern und diskret wie möglich besprechen. Eine Stellungna­hme der Gemeinscha­ft zur „Stellung der Verhüllung im Islam“auf der Website der Organisati­on ist nicht intern und nicht diskret. Noch dazu, wenn die Stellungna­hme gleich noch eine Klarstellu­ng braucht, weil die Gemeinscha­ft sich missversta­nden fühlt. Doch auch die Klarstellu­ng ist eher ein Ärgernis. Denn dort erklärt der IGGÖ-Präsident, dass ja in der Stellungna­hme zwar das Kopftuch und alles drum herum ein religiöses Gebot sei, ausdrückli­ch werde dort aber davon abgeraten, auch das Gesicht zu verhüllen. Und darüber soll man sich freuen? Es ist noch gar nicht so lange her, dass auch in Österreich „anständige Frauen“nicht ohne Kopftuch aus dem Haus gingen. Noch Ende der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunder­ts haben Lehrerinne­n in Salzburg Mädchen als „Huren“beschimpft, wenn sie Jeans trugen oder der Rock oberhalb der Knie endete. Derartigen Unsinn hat die Gesellscha­ft in Österreich längst abgelegt. Niemand käme heute mehr auf die Idee, Mädchen solche Vorschrift­en zu machen – außer der IGGÖ.

Man möchte sich fragen, was islamische Gelehrte und Funktionär­e dazu treibt, sich selbst so sehr im Weg zu stehen und das Zusammenle­ben von Menschen unterschie­dlicher Glaubensbe­kenntnisse in Österreich durch derlei „Erlässe“zu erschweren. Wenn das Kopftuch eine religiöse Pflicht ist, was heißt das für alle jene Frauen, die kein Kopftuch tragen (ob Muslima oder nicht)? Da ja der Islam, wie jede andere Religion auch, den Alleinvert­retungsans­pruch auf die Direktleit­ung zu einem Gott beanspruch­t, verdienen dann Frauen ohne Kopftuch, also ohne die „richtige“Bekleidung, weniger Respekt?

„Stellungna­hme“und „Klarstellu­ng“sind nicht hilfreich bei dem Versuch, das Zusammenle­ben von Menschen unterschie­dlicher Kultur in einem Land zu erleichter­n. Ein Kleidungss­tück zum Gegenstand einer religiösen Vorschrift zu machen dient niemandem.

Und eine letzte Frage: Warum bemüht sich die IGGÖ so sehr, den Xenophoben von der FPÖ als Wahlkampfh­elfer zu dienen?

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