Kleider machen Filmfiguren
Als Kostümbildnerin weiß Monika Buttinger, welche Feinheiten Kinocharaktere ausmachen. Ein Porträt eines unterschätzten Berufs.
WIEN. Auf großen Tischen liegen bunte Kunstpelze, bis unter die Decke stapeln sich transparente Aufbewahrungsboxen, die beschriftet sind: „Strumpfhosen“, „Gürtel“, „Unterwäsche hautfarben“, davor drängen sich mehrere Reihen Kleiderstangen mit Hunderten Hemden, Hosen, Jacken, Röcken in verschiedenen Größen. „Die meisten Jetztzeit-Filme kann ich damit ausstatten“, sagt Monika Buttinger über ihren Fundus. Sie ist eine der wichtigsten Kostümbildnerinnen des Landes, eine von nur 27 Kolleginnen und Kollegen, die der österreichische Filmausstatter-Verband listet. Sie hat an Filmen mitgearbeitet wie dem oscarnominierten „Revanche“, der Komödie „Der Vampir auf der Couch“und der internationalen Produktion „360“mit Jude Law und Anthony Hopkins. Und sie hat zahlreiche Preise für ihre Arbeit bekommen.
Die Frauenfilmtage (bis 9. März im Metrokino in Wien) widmeten ihr die heurige Personale. Dies ist Anlass für einen Besuch in Monika Buttingers Atelier im 15. Wiener Gemeindebezirk. Hier arbeitet sie derzeit mit zwei Assistentinnen an Kostümen für eine Schweizer Neuinszenierung von Andrew Lloyd Webbers „Cats“, dafür sind die wuscheligen Kunstpelze bestimmt. Musicals stattet sie aber nur selten aus, ihr Herz schlägt immer schon für den Film: „Seit ich mit 13 Jahren ,Fellinis Casanova‘ gesehen habe, hab ich gewusst: Das will ich machen!“Da es in Österreich keine eigene Ausbildung für Kostümbild im Film gibt, musste sie sich anders behelfen: Zuerst besuchte sie die HBLA für künstlerische Gestaltung in Linz, dann in Hetzendorf den Speziallehrgang für Modedesign. „Heute bin ich froh darüber, dadurch habe ich eine gute Basisausbildung“, sagt sie. Ihre Vorbilder seien freilich nach wie vor die Italiener, Legenden wie der Fellini-Kostümbildner und Oscarpreisträger Danilo Donati oder der große Piero Tosi, lange Viscontis Mitarbeiter. Es sind Stars ihrer Zeit, auch über die Filmbranche hinaus.
In Österreich hingegen ist wenig Bewusstsein für den Beruf vorhanden. Vielleicht liegt das daran, dass Mode hierzulande generell wenig wertgeschätzt wird? „Ja, das fällt mir immer wieder auf. Ich werde etwa in Italien interessanterweise nicht als Österreicherin wahrgenommen, sondern meistens als Französin. Das ist für mich ein wichtiger Aspekt: was Menschen alles aus Kleidung abzulesen glauben, selbst Nationalität.“
Obwohl Buttinger die Ausbildung an der Filmhochschule in Wien „sehr gut“findet, werde ihr Bereich sträflich vernachlässigt: „Es gibt keinerlei spezielle Ausbildung zu Kostüm, Ausstattung und Maske“, und das fehle den meisten Filmhochschulabgängern.
Dabei ist Kostüm ein visuelles Kommunikations- und Ausdrucksmittel: Ob jemand abgewetzte Kleidung trägt, ob die Schuhe dreckig sind, ob die Kleidungsstücke passen, vermittelt in kürzester Zeit mehr über den Hintergrund einer Figur, als es viele Zeilen Dialog können. Monika Buttinger erarbeitet solche Überlegungen mit dem jeweiligen Regisseur lange vor Drehbeginn. „Ich beobachte gern Menschen in der Stadt und denke mir dann: Ah, das könnte diese Figur sein, die da im Drehbuch vorkommt. Ist das jemand, der bis zum Knie perfekt angezogen ist, und nur die Socken sind seltsam?“, sagt Monika Buttinger. „Solche Kleinigkeiten finde ich wichtig, auch für die Schauspieler, selbst wenn die Schuhe nie im Bild sind.“
Sie hat Spaß daran, wenn sie nach wochenlanger Recherche etwa für „Der Vampir auf der Couch“komplette Outfits im Stil der Dreißigerjahre neu entwerfen kann. „Wir wollten einen modischen Film machen“, sagt sie und nennt einen auffallend schicken apricotfarbenen Overall, den die Heldin trägt: Nein, der sei nicht einem historischen Vorbild nachgeschneidert, sondern von ihr designt.
Mindestens ebenso entscheidend ist die Arbeit der Kostümbildnerin, wenn sie nur wenige, scheinbar alltägliche Stücke zur Verfügung hat, etwa weil alles an einem Tag spielt. „Mir taugt gerade diese Arbeit mit Feinheiten“, sagt Buttinger. Wahrscheinlich ist dieses Gespür der Grund, weshalb sie seit vielen Jahren ausgebucht ist: 2000 hat sie ihren ersten Film gemacht, 2016 ihr fünfzigstes Projekt, drei bis vier Filme gehen sich im Jahr aus.
Trägt sie auch selbst Stücke aus dem Fundus, den sie in ihrem Atelier hat? „Ja, aber ich hab auch daheim wirklich viel Gewand. Das finde ich wichtig. Wenn ein Schauspieler zu mir zur Kostümprobe kommt, vermittle ja auch ich mit meiner Kleidung etwas.“So bringt Monika Buttinger ihren Beruf auf den Punkt. „Und wenn ich vermittle, dass ich selbst weiß, was mir passt, kann er Vertrauen fassen. Das ist eine große Vertrauenssache zwischen Kostüm und Schauspielern.“ Festival: Frauenfilmtage, bis morgen, Donnerstag, WWW.FRAUENFILMTAGE.AT
„Auch die Kleinigkeiten sind wichtig.“Monika Buttinger, Kostümbildnerin