In den Schlapfen meiner Frau
Ihre Orchideen sollen nicht verdorren, nahm sich Johannes Ganahl nach dem Tod seiner Frau vor. Woran sie sonst noch alles gedacht hatte, fiel ihm nun wie Schuppen von den Augen.
Die ersten Einkäufe waren schwer. Nicht etwa, weil Johannes Ganahl so viel ins Wagerl gepackt hatte, sondern weil er nicht wusste, wo Reis, Kakao oder Spülmittel in den Regalen zu finden waren. Das Einkaufen hatte immer Irmi erledigt, seine Frau. „Ich bin dann oft nach Salzburg gefahren und habe die ruhige Einkaufssituation dort vorgezogen. Da konnte ich suchen, solange ich wollte. Hier in Radstadt kennt doch jeder jeden. Das war mir unangenehm“, erzählt Johannes Ganahl.
Wer nun glaubt, einen 70-jährigen Macho reden zu hören, der um die Hausarbeit stets einen Bogen machte – der hat teilweise recht. Denn früher war er das. „Als wir 1969 mit nichts in den Händen geheiratet haben, blieb Irmi mit den zwei Kindern zu Hause. Da war keine helfende Mutter in der Nähe, keine Putzfrau oder ein Kindermädchen, und die komfortablen Pampers gab’s auch noch nicht. Ich war Alleinverdiener und habe hauptberuflich als Lehrer, nebenbei als Skilehrer und Chorleiter versucht, so viel Geld wie möglich für den Hausbau zu verdienen. Wir funktionierten“, fasst Johannes Ganahl zusammen. „Wir haben beide geschuftet. Und dennoch hat meine Frau sicher nie dieselbe Wertschätzung für ihre Arbeit erhalten. Von mir nicht und von der Gesellschaft auch nicht.“Er habe vieles für selbstverständlich genommen. Auch das Kopfschütteln anderer Männer, wenn er ab und zu den Kinderwagen schieben wollte. Da habe er ihn eben wieder seiner Frau vor die Füße geschoben.
In welch starren Bahnen er und seine Frau damals verhaftet waren, dämmerte ihm, als er Fortbildungen zum Thema Psychoanalyse besuchte. „Jeder Mensch sehnt sich nach Anerkennung. Wenn diese nicht kommt, kränkt das eine Frau genauso wie einen Mann, dachte ich bei mir. Und an Irmi. Was für überholte Rollen wir doch lebten. Das wurde mir damals bewusst. Es gab einiges zu ändern.“
Schritt für Schritt versuchte das Paar, sich aus den alten Rollen herauszuschälen. Nicht immer leicht sei das gewesen, schildert Ganahl heute. „Veränderung bedeutet immer einen Verlust. In dem Fall: den Verlust an Bequemlichkeit und an Macht. Vorher hatte doch in vielen Dingen ich die Entscheidungen getroffen.“ Das sollte sich ändern. Irmi redete nun mit, das brachte Konflikte und Kompromisse – aber auch wertvolle Gespräche auf Augenhöhe und die ersten gemeinsam gefassten Beschlüsse. Irmi fand Freude daran, das Leben, das sich nun so neu anfühlte, zu gestalten. „Dass wir nun beide anpackten, verschaffte ihr Freiräume und Zeit. Sie entdeckte die Keramik für sich. Was sie anpackte, wurde ein kleines Kunstwerk“, erzählt Ganahl. Der Brennofen für mehr Vasen, Schalen und Skulpturen war schon bestellt, als es passierte. Irmi kam bei einem Lawinenunglück im Jahr 2010 ums Leben.
Johannes Ganahl stand allein da. „Neben dem bis heute unverdaulichen Verlust drückte die Bewältigung aller Arbeiten tonnenschwer“, blickt er heute zurück. Denn so sehr er sich mit seiner Frau um Arbeitsteilung bemüht hatte, zur Küche hatte sie ihm den Zutritt verweigert. „Es war für sie immer weniger Arbeit gewesen, selbst zu kochen, als die Küche nach meinen Versuchen wieder sauber zu bekommen.“
Es gab nur den einen Weg: „Meine Frau hatte die Hausarbeit auch irgendwann gelernt. Also müsste es doch möglich sein, dass ich sie auch lerne“, sagte sich Johannes Ganahl damals. Seine Vorsätze lauteten: – Kochkurse bei der Tochter besuchen – Rezepte sammeln und Essenspläne schmieden, um gezielt einkaufen zu gehen – Nachbarinnen und Freundinnen befragen für richtiges Putzen – Mir die Nähmaschine erklären lassen – Ziel: Es soll genauso glänzen wie vorher. Und die Blumen dürfen nicht verdorren.
Inzwischen kürzt Johannes Ganahl seine Hosen, näht Fäustlinge, kredenzt Gästen am liebsten Gemüsepfanne oder Pizza und beobachtet manchmal mit Unmut, „wie auf dem Supermarkt-Parkplatz verschiedene Machos noch immer lieber zeitunglesend, rauchend oder sonst wie auf ihre Frauen warten, die sich zur selben Zeit im Geschäft zwischen den Regalen mühen“. Jetzt wisse er, wie müde die Hausarbeit mache, sagt Johannes Ganahl. Das würde er Irmi gern sagen.
„Jeder Mensch braucht Anerkennung. Davon hab ich ihr zu wenig gegeben.“Johannes Ganahl, später Hausmann