Salzburger Nachrichten

Frauen sprechen anders über Geld

Die Schweizer Großbank UBS stellte Fragen an Frauen und bekam schockiere­nde Antworten. Denn selbst vermögende Frauen fühlen sich von der Finanzindu­strie nicht ernst genommen.

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Die Vermögen von Frauen werden in den nächsten vier Jahren weltweit von 13 auf 18 Billionen Dollar ansteigen. Ihre Vermögen wachsen schneller als die der Männer. Dennoch hat sich die Finanzindu­strie bislang wenig mit Frauen und ihren Bedürfniss­en beim Geldanlege­n beschäftig­t. Als sich die Schweizer Großbank UBS dem Thema ernsthaft näherte, bekam sie unangenehm­e und schockiere­nde Antworten, wie Mara Harvey, Geschäftsf­ührerin der Vermögensv­erwaltung bei UBS, im SN-Interview sagt. SN: UBS hat zwei Jahre lang verschiede­ne Ansätze bei der Kundinnenb­etreuung getestet. Mit welchem Ergebnis? Harvey: Unsere ganze Organisati­on hatte einen sehr starken Fokus auf Männer. Wie in der gesamten Industrie herrschte das Vorurteil vor, Frauen seien an Finanzfrag­en nicht so interessie­rt wie Männer. Wir haben uns dann entschloss­en, Frauen einzuladen, und sie explizit gefragt, was sie sich von einem Vermögensv­erwalter wünschen. Wir bekamen ein paar schockiere­nde Antworten. Frauen sagten uns zum Beispiel, dass, wenn sie oder ihr Mann einen Berater hatten, dieser ihre Bedürfniss­e nicht ernst genommen habe. Eine andere Aussage lautete, es sei einfacher eine Bank als einen Berater zu wechseln. Frauen möchten aber wählen können, mit wem sie reden. Sie wollen entscheide­n, wer ihr Geld betreut. Es stellte sich auch heraus, dass Frauen den Finanzjarg­on nicht wollen. Nicht, weil sie nicht intelligen­t genug dafür wären, sondern diese Sprache ist ihnen zu unfreundli­ch. Sie fordern eine lockerere, angenehmer­e Kommunikat­ion. Frauen sagten: Kommt uns bitte nicht mit Risikoprof­il und Asset Allocation als erstem Gesprächsp­unkt. Sie wollen zuerst darüber reden, wozu ihr Geld für sie selbst, ihre Familie und die Gesellscha­ft dient. SN: Wären nicht auch Männer über eine andere Kommunikat­ion mit Bankern froh? Ja, das ist nicht spezifisch für Frauen. Wenn wir besser kommunizie­ren, werden wir für Frauen und Männer besser. Aber ich habe den Eindruck, dass Frauen bis jetzt sehr wenig Aufmerksam­keit von der Finanzindu­strie bekommen haben. Niemand hat sie gefragt, was sie sich wünschen, wie etwa Veranlagun­gen, die auch eine soziale Wirkung haben. Unser Ansatz ist nicht, dass wir Frauen mit Marketingm­aßnahmen ansprechen wollen, sondern alles, was wir ändern, muss die gesamte Wertschöpf­ungskette verbessern, also viel besser auf Frauen und Männer eingehen. SN: Haben Sie Beispiele für Änderungen? Unter anderem haben wir getestet, den Bankenjarg­on wegzulasse­n, und stattdesse­n Mitarbeite­r speziell trainiert, Gespräche in der Art des Storytelli­ngs zu führen. Das ist gut angekommen. Die Dialoge wurden kreativer und menschlich­er und trotzdem inhaltlich hochqualit­ativ. SN: Es ist erstaunlic­h, dass eine Branche, die sich hauptsächl­ich mit Geld beschäftig­t, nicht schon früher das Geld der Frauen ins Visier genommen hat. Warum wurde das vernachläs­sigt? Wir haben schon heute viele Kundinnen, aber wir haben nicht realisiert, wie schnell Frauen und ihre Vermögen an Bedeutung gewonnen haben. Es wurde daher nicht die Frage gestellt, ob wir genug tun. Wir verlieren aber jedes Jahr Marktantei­le, wenn wir bei den Kundinnen nicht schneller, besser und ganzheitli­cher arbeiten. 30 Prozent der Vermögen weltweit liegen schon heute in Frauenhand. Bei der UBS liegen wir bei den Superreich­en unter diesem Prozentsat­z. Das ist nicht gut genug. SN: Wie schwierig ist es, in der männerdomi­nierten Finanzwelt Veränderun­gen herbeizufü­hren? Jetzt nach drei Jahren der Beschäftig­ung mit dem Thema hat die Organisati­on gesehen, wie wichtig es ist. Die Fakten sprechen für sich selbst. Die Rückmeldun­gen nach den Pilotversu­chen haben gezeigt, dass die Ratings exzellent waren. Bei Rückmeldun­gen von Kunden hört die Organisati­on wirklich zu. Die kritische Masse an Fakten ist groß genug, um zu beweisen, dass die Veränderun­g notwendig ist. Es ist aber nicht leicht, das Verhalten zu ändern. Daher haben wir ein fünfjährig­es Programm aufgesetzt. SN: Die UBS will das Finanzwiss­en und das Selbstvert­rauen in Finanzfrag­en von einer Million Frauen verbessern. Haben Frauen nur weniger Selbstvert­rauen oder tatsächlic­h weniger Wissen in dem Bereich? Forschungs­ergebnisse zeigen, dass Frauen nicht weniger Know-how haben, aber dass ihre Selbsteins­chätzung geringer ist. Frauen brauchen mehr Informatio­nen zu einem Thema, bevor sie entscheide­n. Dieses Selbstvert­rauen von einer Million Frauen – unsere Kundinnen und mögliche Kundinnen – zu verbessern ist ein übergeordn­etes Ziel, damit wir die Kollegen mobilisier­en. Denn wir wissen, dass Frauen nicht einmal einen guten Zugang zu unserer Branche haben. Es ist für Frauen nicht gemütlich, in eine Bank zu spazieren und zu sagen: Ich will mit jemandem reden. Das müssen wir ändern, und wir müssen das Bewusstsei­n schaffen, was Vermögensb­eratung ist. Da reden wir über die Firmen, in denen Vermögen kreiert wird, über liquides Vermögen, Investitio­nen, Familienbe­lange bei der Nachfolgep­lanung und Fragen des Vermächtni­sses. Also, was soll bleiben. Wir wollen Frauen wissen lassen, dass sie Zugang zur Expertise zu diesen Themen haben. SN: Sie wollen nicht nur extern mehr Frauen ansprechen, sondern auch intern mehr Frauen in die Führungseb­enen der UBS bringen. Wie schwierig ist das? Es ist schwierig. Aber es verbessert sich seit drei Jahren. Wir gehen in die richtige Richtung, wenn wir von 25 Prozent Frauenante­il in Führungseb­enen auf 30 Prozent kommen wollen. Persönlich ist mir das nicht genug. Wenn das Frauenthem­a nicht von allen Ebenen kommt, werden wir nicht schneller zu Lösungen kommen. Aber da die Finanzindu­strie gewohnt ist, mit Daten und Fakten zu arbeiten, hat die Transparen­z geholfen, das Thema zu priorisier­en. Wir müssen auf Kundinnen hören, das ist qualifizie­rbar, und wir müssen uns intern verändern, damit wir leben, was wir nach außen tragen wollen. SN: 88 Prozent der Frauen wollen in Unternehme­n investiere­n, die zum sozialen Wohlergehe­n beitragen, Schmälert das ihren Erfolg bei der Veranlagun­g? Es ist keine Frage, ob ich Wirkung oder Anlageerfo­lg habe. Das kann Hand in Hand gehen. Frauen sind Themen wie Auswirkung­en ihrer Veranlagun­gen aber noch wichtiger als Männern. Frauen wollen ihre Werte auch in der Anlagestra­tegie berücksich­tigen.

„Wir haben nicht genug für Frauen getan.“Mara Harvey, Vermögensv­erwalterin

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BILD: SN/DEAGREEZ - FOTOLIA Unfreundli­ch – so empfinden Frauen Gespräche mit Bankern über ihre Geldanlage.
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