Formel 1 vergibt Chancen auf Pilotin
Bei den Teamchefs der Formel 1 liegt die weibliche Quote bei 20 Prozent. Eine Analyse der aktuellen Situation zum Weltfrauentag.
SALZBURG. Als vor fast 59 Jahren Teresa de Filippis (1926–2016) als erste Frau in Spa einen Formel-1-GrandPrix bestritt, dachte wohl niemand, dass nach ihr nur eine Handvoll Pilotinnen an den Rand der Topklasse kommen würden. Auch zum Weltfrauentag 2017 ist die Lage unverändert: Eine F1-Fahrerin ist weit und breit nicht in Sicht. Und das ist nicht allein Schuld der Machopartie, die den Sport lenkt.
Denn unter den Verantwortlichen der zehn Teams beträgt die „Frauenquote“immerhin 20 Prozent (wo sonst noch in Wirtschaft, Politik oder Sport?). Mit der Wienerin Monisha Kaltenborn bei Sauber und der Britin Claire Williams im gleichnamigen, vom Vater gegründeten Rennstall erhellen zwei Damen diverse Formel-1-Arbeitsgruppen und führen immerhin jeweils an die 300 Mitarbeiter, verwalten Etats von kolportierten 120 bzw. 200 Mill. Euro.
Die aus Indien stammende Juristin Kaltenborn kann immerhin für sich reklamieren, es mit zwei jungen Damen versucht zu haben. Mit der Schweizerin Simona de Silvestro als „assoziierter Pilotin“, die einige Tests in älteren Modellen fahren durfte. Da aber selbst dafür Sponsoren die Kosten schuldig blieben, war selbst der Traum von der Ersatzfahrerin zu Ende. Silvestro bewies immerhin Härte und auch Speed in der Indycar-Meisterschaft samt den 500 Meilen von Indianapolis, die sie einmal mit schweren Brandwunden nach einem Trainingsunfall bestritt – und von den Fans dort seither „Iron Maiden“genannt wird. Mangels Sponsoren und damit Chancen fährt die 28Jährige heuer in Australien bei den populären V8 Supercars.
Als „Development Driver“nahm Sauber erst vor wenigen Tagen die Kolumbianerin Tatiana Calderón unter Vertrag, die übermorgen (10. 3.) 24 Jahre alt wird und zuletzt in der GP3 unterwegs war – mit zwei Punkten wurde sie im Vorjahr 21. Dazu wurde sie noch Sechste der spanischen Formel 3. Ob ihre Verbindung zu Sauber mehr als ein Marketinggag sein wird, wird sich weisen. Nach einer Ankündigung ähnlicher Art ist die Spanierin Carmen Jordá (28) bei Lotus bzw. Renault bald wieder von der Bildfläche verschwunden.
Die größte Chance, eine Frau in der Formel 1 Rennfahren zu sehen, vergab aber Claire Williams. Zwar durfte die Testpilotin Susie Wolff drei Mal (2014/15) Freitag-Trainings bestreiten, mehr passierte aber nicht. Ende 2015 gab die 34-jährige Schottin ihren Rücktritt vom Sport bekannt und erwartet nun ihr erstes Baby. Noch im Sommer 2015 hatte ihr Gatte, Mercedes-Sportchef Toto Wolff, im SN-Gespräch erklärt: „Wenn Williams im letzten Saisonrennen in der Konstrukteurs-WM nichts mehr gewinnen oder verlieren kann, sollte Susie eine Chance bekommen.“Doch ihre Chefin ließ sich weder vom Boss des Motorenpartners noch von Sponsoren, die mit Wolff ein Riesenecho verbucht hätten, beeindrucken.
Dass sich die Marussia-Testfahrerin María de Villota bei einem bizarren Testunfall 2012 derart schwer verletzte, dass sie an den Folgen ein Jahr später verstarb, half der „Frauensache F1“auch nicht. So waren Damen für ernsthafte Teilnahmen bei den Indycars (Danica Patrick gewann in Motegi und wurde im Indy 500 einmal Dritte, nun fährt sie NASCAR) oder in Le Mans gut genug, in der Formel 1 aber geht das Warten weiter. Der letzte Qualifikationsversuch einer Dame (Giovanna Amati) geschah 1992, das letzte Rennen mit einer Frau im Feld ist 41 Jahre her – als Lella Lombardi 1976 auf dem Österreichring ihren letzten von zwölf Grands Prix bestritt.
Dennoch gibt es tatsächlich eine Formel-1-Siegerin: Die Südafrikanerin Desiré Wilson gewann 1980 in Brands Hatch. Das Rennen zählte aber nicht zur WM, sondern zur britischen Meisterschaft („Aurora Series“). Leider.
„Im letzten Saisonrennen hätte man Susie eine Chance geben können.“