Von Trump und Putin lernen
Es scheint Gemeinsinn und Gemeinunwohl zu sein, in einem „postfaktischen“Zeitalter zu leben. Gefühlte Tatsachen oder bewusste Falschmeldungen („Fake News“) sowie alternative Fakten von Machthabern torpedieren die wahrheitsfähigen Gedanken und Aussagen der mit Realitätssinn ausgestatteten Massenmedien und Regierungen.
Ist diesem beklagten Befund tatsächlich zu applaudieren? Entscheidend wird sein, ob man glaubt, dass Menschen in der Lage sind, eine gegebene Realität, so wie sie beschaffen ist, trotz Irrtumsanfälligkeit, nennenswert zu erkennen und sprachlich als evidente Tatsachen abzubilden, widerzuspiegeln oder symbolisch zu repräsentieren!
Ein derart naiver Realismus bewirkt in der neurobiologischen „Gelehrtenrepublik“derzeit offenbar leider keine lautstarke mediale Resonanz. Obwohl dazu, zitiert man zum Beispiel den Mainzer Neurowissenschafter Heiko Luhmann, „Wir erleben die Welt nicht, wie sie wirklich ist, sondern so, wie wir sind!“, alternative Feststellungen vorliegen.
Was soll also das aufgeregte Gerede von positiv bewertet „faktisch“, davon negativ abweichend „alternativ faktisch“oder faktisch überhaupt ablösend „postfaktisch“?
Seien wir doch dankbar dafür, dass wir hier im „Westen“feststellen dürfen und danach handeln können, welche Form von Wirklichkeit Trump oder Putin in jeder Situation erschaffen. Entscheidend ist, dass wir unsere subjektiven Wirklichkeiten anderen mitteilen und bei Auftreten von Konkurrenz nach einem einvernehmlich geteilten Kriterienkatalog entscheiden können, welche Feststellungen (Fakten) und Bewertungen wir bevorzugen und welche wir zurücklassen.
Zu solchen universell verhandelbaren Unterscheidungsmerkmalen zählen etwa Widerspruchsfreiheit, Stimmigkeit, Überzeugungskraft, Annehmbarkeit und Brauchbarkeit. Zurückgelassene Feststellungen gehen nicht verloren. Irgendwann bekommen sie durch irgendwen in einem neuen Kontext die Chance reaktualisiert zu werden.
Ein schönes Beispiel bietet dazu Trumps politikgeografisches Weltbild: Mit der sinnlich anmutenden Fiktion von den USA im Zentrum der Welt werden alle anderen Länder an den Rand der Welt gedrängt und nur über bilaterale Beziehungen zum Wohle des Zentrums geduldet. Über dieser „Welt als Scheibe“-Vorstellung thront Donalds Gott und darunter in der „Hölle“sollen alle, die sich Trump widersetzen, schmoren.