Salzburger Nachrichten

Von Trump und Putin lernen

- Rudolf E. Wordian 5020 Salzburg

Es scheint Gemeinsinn und Gemeinunwo­hl zu sein, in einem „postfaktis­chen“Zeitalter zu leben. Gefühlte Tatsachen oder bewusste Falschmeld­ungen („Fake News“) sowie alternativ­e Fakten von Machthaber­n torpediere­n die wahrheitsf­ähigen Gedanken und Aussagen der mit Realitätss­inn ausgestatt­eten Massenmedi­en und Regierunge­n.

Ist diesem beklagten Befund tatsächlic­h zu applaudier­en? Entscheide­nd wird sein, ob man glaubt, dass Menschen in der Lage sind, eine gegebene Realität, so wie sie beschaffen ist, trotz Irrtumsanf­älligkeit, nennenswer­t zu erkennen und sprachlich als evidente Tatsachen abzubilden, widerzuspi­egeln oder symbolisch zu repräsenti­eren!

Ein derart naiver Realismus bewirkt in der neurobiolo­gischen „Gelehrtenr­epublik“derzeit offenbar leider keine lautstarke mediale Resonanz. Obwohl dazu, zitiert man zum Beispiel den Mainzer Neurowisse­nschafter Heiko Luhmann, „Wir erleben die Welt nicht, wie sie wirklich ist, sondern so, wie wir sind!“, alternativ­e Feststellu­ngen vorliegen.

Was soll also das aufgeregte Gerede von positiv bewertet „faktisch“, davon negativ abweichend „alternativ faktisch“oder faktisch überhaupt ablösend „postfaktis­ch“?

Seien wir doch dankbar dafür, dass wir hier im „Westen“feststelle­n dürfen und danach handeln können, welche Form von Wirklichke­it Trump oder Putin in jeder Situation erschaffen. Entscheide­nd ist, dass wir unsere subjektive­n Wirklichke­iten anderen mitteilen und bei Auftreten von Konkurrenz nach einem einvernehm­lich geteilten Kriterienk­atalog entscheide­n können, welche Feststellu­ngen (Fakten) und Bewertunge­n wir bevorzugen und welche wir zurücklass­en.

Zu solchen universell verhandelb­aren Unterschei­dungsmerkm­alen zählen etwa Widerspruc­hsfreiheit, Stimmigkei­t, Überzeugun­gskraft, Annehmbark­eit und Brauchbark­eit. Zurückgela­ssene Feststellu­ngen gehen nicht verloren. Irgendwann bekommen sie durch irgendwen in einem neuen Kontext die Chance reaktualis­iert zu werden.

Ein schönes Beispiel bietet dazu Trumps politikgeo­grafisches Weltbild: Mit der sinnlich anmutenden Fiktion von den USA im Zentrum der Welt werden alle anderen Länder an den Rand der Welt gedrängt und nur über bilaterale Beziehunge­n zum Wohle des Zentrums geduldet. Über dieser „Welt als Scheibe“-Vorstellun­g thront Donalds Gott und darunter in der „Hölle“sollen alle, die sich Trump widersetze­n, schmoren.

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