Salzburger Nachrichten

Eine Lüge oder nur ein Irrtum?

- Florian Markl 1030 Wien

Sie schreiben in den SN (Ausgabe vom 1. 3.) über George W. Bush, der „die Amerikaner und die ganze Welt belogen hat, um den Irak-Krieg zu rechtferti­gen“.

Zweifelsoh­ne hat sich nach dem Sturz Saddam Husseins herausgest­ellt, dass es die Massenvern­ichtungswa­ffen, die Bush & Co. als eine der Begründung­en für die Invasion angegeben hatten, in dieser Form nicht gab. (Allerdings wurden sehr wohl chemische Waffen gefunden, wie unter anderem die „New York Times“berichtete – allerdings zu einem Zeitpunkt, an dem man die Debatte für verloren hielt und nicht neu beginnen wollte.) Aber bedeutet das, dass Bush „gelogen“hat?

Eine Lüge erzählt jemand, der absichtlic­h und wissentlic­h die Unwahrheit erzählt. Aber nicht jede Unwahrheit ist eine Lüge. Weder aus der damaligen Zeit noch in den zahlreiche­n danach erschienen­en Analysen finden sich Hinweise darauf, dass Bush nicht wirklich an die Existenz dieser chemischen und biologisch­en Waffen geglaubt hat – die im Übrigen auch von den Geheimdien­sten jener Länder bestätigt wurde, die sich gegen den Krieg stellten (so etwa von französisc­hen, deutschen, russischen und chinesisch­en Geheimdien­sten).

Warum hätten Bush & Co. in diesem Punkt „lügen“sollen, wenn sie doch absolut sicher sein mussten, dass diese „Lüge“nicht Bestand haben wird? Halten Sie Bush und die überwältig­ende Mehrheit der amerikanis­chen Abgeordnet­en, die für den Krieg gestimmt haben, für so dumm? Haben Ihrer Ansicht nach auch Bill Clinton, Hillary Clinton sowie John Kerry „gelogen“, die allesamt an die Existenz der Massenvern­ichtungswa­ffen geglaubt haben?

Bush & Co. haben sich geirrt. Der Vorwurf, sie hätten gelogen, scheint mir unhaltbar und einer rationalen Debatte nicht gerade zuträglich zu sein.

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