Eine Lüge oder nur ein Irrtum?
Sie schreiben in den SN (Ausgabe vom 1. 3.) über George W. Bush, der „die Amerikaner und die ganze Welt belogen hat, um den Irak-Krieg zu rechtfertigen“.
Zweifelsohne hat sich nach dem Sturz Saddam Husseins herausgestellt, dass es die Massenvernichtungswaffen, die Bush & Co. als eine der Begründungen für die Invasion angegeben hatten, in dieser Form nicht gab. (Allerdings wurden sehr wohl chemische Waffen gefunden, wie unter anderem die „New York Times“berichtete – allerdings zu einem Zeitpunkt, an dem man die Debatte für verloren hielt und nicht neu beginnen wollte.) Aber bedeutet das, dass Bush „gelogen“hat?
Eine Lüge erzählt jemand, der absichtlich und wissentlich die Unwahrheit erzählt. Aber nicht jede Unwahrheit ist eine Lüge. Weder aus der damaligen Zeit noch in den zahlreichen danach erschienenen Analysen finden sich Hinweise darauf, dass Bush nicht wirklich an die Existenz dieser chemischen und biologischen Waffen geglaubt hat – die im Übrigen auch von den Geheimdiensten jener Länder bestätigt wurde, die sich gegen den Krieg stellten (so etwa von französischen, deutschen, russischen und chinesischen Geheimdiensten).
Warum hätten Bush & Co. in diesem Punkt „lügen“sollen, wenn sie doch absolut sicher sein mussten, dass diese „Lüge“nicht Bestand haben wird? Halten Sie Bush und die überwältigende Mehrheit der amerikanischen Abgeordneten, die für den Krieg gestimmt haben, für so dumm? Haben Ihrer Ansicht nach auch Bill Clinton, Hillary Clinton sowie John Kerry „gelogen“, die allesamt an die Existenz der Massenvernichtungswaffen geglaubt haben?
Bush & Co. haben sich geirrt. Der Vorwurf, sie hätten gelogen, scheint mir unhaltbar und einer rationalen Debatte nicht gerade zuträglich zu sein.