Bleibt mehr Leben Dorf im nur ein Traum?
Das neue Raumordnungsgesetz stößt auf Wohlwollen. Theoretisch. Praktisch sind aber die Bedenken groß, wie die SN-Diskussion zeigt.
„I fahr so gern durch Österreich.“In diesem Lied besingt „Querschläger“Fritz Messner den Wildwuchs an den Ortsrändern des unansehnlichen „Standarddorfs“– mit seinen überall gleichen Supermärkten, Diskontern und Tankstellen, vom Neusiedler- bis zum Bodensee.
In Salzburg soll es wenigstens nicht mehr schlimmer werden. Die Landespolitik will die Zersiedelung sowie die Unmenge an Zweitwohnsitzen stoppen, kompakter bauen, Geschäfte in Ortszentren ansiedeln und vor allem den Einheimischen finanzierbares Bauland sichern.
Das geht in die richtige Richtung – darin sind sich die meisten Diskutanten einig, die am Montagabend an der Veranstaltung zum Thema Raumordnung teilnahmen. Mehr als 300 Besucher waren in den SN-Saal geströmt.
„Wir müssen die Ortskerne stärken“, beharrte die ressortzuständige LH-Stellvertreterin Astrid Rössler (Grüne) auf einem der Kernpunkte des geplanten neuen Salzburger Raumordnungsgesetzes. Große Einkaufsmärkte auf der grünen Wiese sollen praktisch nicht mehr erlaubt sein. Salzburg stehe zwar in der Nahversorgung gar nicht so schlecht da. Aber immerhin zwölf Gemeinden „haben keine Nahversorgung“, sagte Rössler, „21 nur eine eingeschränkte Teilversorgung“. In Berndorf im Flachgau zum Beispiel gab es laut Bürgermeister Josef Guggenberger (ÖVP) früher „fünf Kramer und sechs Wirte für 1000 Einwohner“. Heute seien es nur ein Kramer und ein Wirt, „und darüber können wir noch froh sein“. „Dass es so ist, wie es Fritz Messner besingt, ist unserem Lebensstil und dem Konsum geschuldet. Daran sind wir alle mitbeteiligt“, sagte Guggenberger.
Als „illusorisch“bezeichnete Immobilienmakler Alexander Kurz die Ortskernbelebung. „Frau Rössler träumt, wenn sie glaubt, dass man heutzutage noch Ortskerne beleben kann“, in denen Geschäfte ausgezogen sind, weil sie sich nicht rentieren. „Die Pendler kaufen auf dem Weg zur Arbeit ein.“
Vom Stillstand im Zentrum besonders betroffen ist Lofer im Pinzgau, wie auch Bad Gastein im Pongau. Vizebürgermeisterin Karin Berger (FPÖ) fragte: „Was kann die Politik machen, wenn ein Mensch im Ortszentrum viele Häuser kauft, aber sie leer stehen lässt?“Rössler: „Mein Wunsch ist eine bessere finanzielle Unterstützung des Landes für den Ankauf strategisch wichtiger Immobilien durch Gemeinden.“Derzeit gebe es dafür nur einen kleinen, mit fünf Millionen Euro dotierten Topf.
Ebenso umstritten wie die Frage der Ortskerne ist jene der Baulandmobilisierung. Die Befürworter des Gesetzesentwurfs meinen, dass drohende Rückwidmungen und die Infrastrukturabgabe auf nicht genutztes Bauland wirken werden. Neues Bauland soll nach zehn Jahren verfallen, altes nach fünf Jahren mit der Abgabe belegt werden. Das wäre
„Frau Rössler träumt. Die Belebung der Ortskerne ist illusorisch.“
wirkungslos und bedeute weitere fünf bis zehn Jahre Stillstand, kritisierte der parteifreie Bürgermeister von Mittersill, Wolfgang Viertler. Die Bestimmung wäre nur dann ein großer Wurf, wenn die Infrastrukturabgabe und die Fallfrist sofort kämen. Viele Kritiker halten außerdem die Abgabe von maximal zwei Euro pro Quadratmeter und Jahr für zu gering. Das sieht Astrid Rössler nicht so: „Eine Strafsteuer war nicht die Absicht, sondern ein maßvolles Lenkungsinstrument mit einer regionalen Staffelung.“
Einige Verfassungswidrigkeiten – zum Beispiel die Staffelung – ortet im Entwurf Volker Reifenberger (FPÖ). Die Infrastrukturabgabe wäre einerseits zu gering, um Spekulation hintanzuhalten, „andererseits fürchte ich, dass sie weiter preistreibend wirkt“. Auch Reinhard Lösch vom Bauamt in Straßwalchen befürchtet, dass die Fallfrist im neuen Gesetz juristisch wieder nicht abgesichert sein könnte. Rössler
„Beim Bauland wird es weitere fünf bis zehn Jahre Stillstand geben.“Wolfgang Viertler, Bürgermeister
antwortete, das Bundeskanzleramt habe verfassungsrechtlich keine Bedenken geäußert.
Der Salzburger Raumordnungsexperte Gerhard Doblhamer lobte den Gesetzesvorschlag, warnte aber: „Es wird sich nichts
ändern, wenn nicht wirklich mutig mit der überörtlichen Raumplanung begonnen wird.“
Der Obertrumer Johann Kaiser forderte: „Das Raumordnungsgesetz gehört nicht von Beamten verwaltet, sondern von der Politik gemanagt.“Der Neumarkter Anton Greischberger appellierte an die grüne Parteichefin, ihre Parteilinie „ein bissl zu verlassen und normal wirtschaftlich zu denken“. Uneins waren sich die Teilnehmer über die Macht der Bürgermeister. Der Bürmooser Peter Haibach fragte: „Ist es wirklich gut, den Bürgermeistern die Raumordnung zu lassen, oder sollte man sie ihnen nicht besser wegnehmen?“
Immobilienmakler Kurz fände es gut, „wenn Bürgermeister nicht so allmächtig wären“. Diese angebliche Allmacht bestritten die Ortschefs Guggenberger und Viertler. Die LH-Stellvertreterin beteuerte, den Bürgermeistern „nie im Leben“die Raumordnung nehmen zu wollen. Das sei verfassungsrechtlich auch nicht möglich. „Die grundlegende Entscheidungskompetenz ist auf der Gemeindeebene, dort gehört sie hin. Aber es ist mehr übergeordnete Planung auf Landesebene notwendig.“
Das gesamte Gesetzespaket werde nicht mehr aufgeschnürt. Es gehe um Nachschärfungen. Geplant ist, dass das Gesetz mit Jänner 2018 in Kraft tritt.