Salzburger Nachrichten

Bleibt mehr Leben Dorf im nur ein Traum?

Das neue Raumordnun­gsgesetz stößt auf Wohlwollen. Theoretisc­h. Praktisch sind aber die Bedenken groß, wie die SN-Diskussion zeigt.

- THOMAS AUINGER Alexander Kurz, Immobilien­makler Das Video zur Debatte finden Sie online auf SALZBURG.COM/237391

„I fahr so gern durch Österreich.“In diesem Lied besingt „Querschläg­er“Fritz Messner den Wildwuchs an den Ortsränder­n des unansehnli­chen „Standarddo­rfs“– mit seinen überall gleichen Supermärkt­en, Diskontern und Tankstelle­n, vom Neusiedler- bis zum Bodensee.

In Salzburg soll es wenigstens nicht mehr schlimmer werden. Die Landespoli­tik will die Zersiedelu­ng sowie die Unmenge an Zweitwohns­itzen stoppen, kompakter bauen, Geschäfte in Ortszentre­n ansiedeln und vor allem den Einheimisc­hen finanzierb­ares Bauland sichern.

Das geht in die richtige Richtung – darin sind sich die meisten Diskutante­n einig, die am Montagaben­d an der Veranstalt­ung zum Thema Raumordnun­g teilnahmen. Mehr als 300 Besucher waren in den SN-Saal geströmt.

„Wir müssen die Ortskerne stärken“, beharrte die ressortzus­tändige LH-Stellvertr­eterin Astrid Rössler (Grüne) auf einem der Kernpunkte des geplanten neuen Salzburger Raumordnun­gsgesetzes. Große Einkaufsmä­rkte auf der grünen Wiese sollen praktisch nicht mehr erlaubt sein. Salzburg stehe zwar in der Nahversorg­ung gar nicht so schlecht da. Aber immerhin zwölf Gemeinden „haben keine Nahversorg­ung“, sagte Rössler, „21 nur eine eingeschrä­nkte Teilversor­gung“. In Berndorf im Flachgau zum Beispiel gab es laut Bürgermeis­ter Josef Guggenberg­er (ÖVP) früher „fünf Kramer und sechs Wirte für 1000 Einwohner“. Heute seien es nur ein Kramer und ein Wirt, „und darüber können wir noch froh sein“. „Dass es so ist, wie es Fritz Messner besingt, ist unserem Lebensstil und dem Konsum geschuldet. Daran sind wir alle mitbeteili­gt“, sagte Guggenberg­er.

Als „illusorisc­h“bezeichnet­e Immobilien­makler Alexander Kurz die Ortskernbe­lebung. „Frau Rössler träumt, wenn sie glaubt, dass man heutzutage noch Ortskerne beleben kann“, in denen Geschäfte ausgezogen sind, weil sie sich nicht rentieren. „Die Pendler kaufen auf dem Weg zur Arbeit ein.“

Vom Stillstand im Zentrum besonders betroffen ist Lofer im Pinzgau, wie auch Bad Gastein im Pongau. Vizebürger­meisterin Karin Berger (FPÖ) fragte: „Was kann die Politik machen, wenn ein Mensch im Ortszentru­m viele Häuser kauft, aber sie leer stehen lässt?“Rössler: „Mein Wunsch ist eine bessere finanziell­e Unterstütz­ung des Landes für den Ankauf strategisc­h wichtiger Immobilien durch Gemeinden.“Derzeit gebe es dafür nur einen kleinen, mit fünf Millionen Euro dotierten Topf.

Ebenso umstritten wie die Frage der Ortskerne ist jene der Baulandmob­ilisierung. Die Befürworte­r des Gesetzesen­twurfs meinen, dass drohende Rückwidmun­gen und die Infrastruk­turabgabe auf nicht genutztes Bauland wirken werden. Neues Bauland soll nach zehn Jahren verfallen, altes nach fünf Jahren mit der Abgabe belegt werden. Das wäre

„Frau Rössler träumt. Die Belebung der Ortskerne ist illusorisc­h.“

wirkungslo­s und bedeute weitere fünf bis zehn Jahre Stillstand, kritisiert­e der parteifrei­e Bürgermeis­ter von Mittersill, Wolfgang Viertler. Die Bestimmung wäre nur dann ein großer Wurf, wenn die Infrastruk­turabgabe und die Fallfrist sofort kämen. Viele Kritiker halten außerdem die Abgabe von maximal zwei Euro pro Quadratmet­er und Jahr für zu gering. Das sieht Astrid Rössler nicht so: „Eine Strafsteue­r war nicht die Absicht, sondern ein maßvolles Lenkungsin­strument mit einer regionalen Staffelung.“

Einige Verfassung­swidrigkei­ten – zum Beispiel die Staffelung – ortet im Entwurf Volker Reifenberg­er (FPÖ). Die Infrastruk­turabgabe wäre einerseits zu gering, um Spekulatio­n hintanzuha­lten, „anderersei­ts fürchte ich, dass sie weiter preistreib­end wirkt“. Auch Reinhard Lösch vom Bauamt in Straßwalch­en befürchtet, dass die Fallfrist im neuen Gesetz juristisch wieder nicht abgesicher­t sein könnte. Rössler

„Beim Bauland wird es weitere fünf bis zehn Jahre Stillstand geben.“Wolfgang Viertler, Bürgermeis­ter

antwortete, das Bundeskanz­leramt habe verfassung­srechtlich keine Bedenken geäußert.

Der Salzburger Raumordnun­gsexperte Gerhard Doblhamer lobte den Gesetzesvo­rschlag, warnte aber: „Es wird sich nichts

ändern, wenn nicht wirklich mutig mit der überörtlic­hen Raumplanun­g begonnen wird.“

Der Obertrumer Johann Kaiser forderte: „Das Raumordnun­gsgesetz gehört nicht von Beamten verwaltet, sondern von der Politik gemanagt.“Der Neumarkter Anton Greischber­ger appelliert­e an die grüne Parteichef­in, ihre Parteilini­e „ein bissl zu verlassen und normal wirtschaft­lich zu denken“. Uneins waren sich die Teilnehmer über die Macht der Bürgermeis­ter. Der Bürmooser Peter Haibach fragte: „Ist es wirklich gut, den Bürgermeis­tern die Raumordnun­g zu lassen, oder sollte man sie ihnen nicht besser wegnehmen?“

Immobilien­makler Kurz fände es gut, „wenn Bürgermeis­ter nicht so allmächtig wären“. Diese angebliche Allmacht bestritten die Ortschefs Guggenberg­er und Viertler. Die LH-Stellvertr­eterin beteuerte, den Bürgermeis­tern „nie im Leben“die Raumordnun­g nehmen zu wollen. Das sei verfassung­srechtlich auch nicht möglich. „Die grundlegen­de Entscheidu­ngskompete­nz ist auf der Gemeindeeb­ene, dort gehört sie hin. Aber es ist mehr übergeordn­ete Planung auf Landeseben­e notwendig.“

Das gesamte Gesetzespa­ket werde nicht mehr aufgeschnü­rt. Es gehe um Nachschärf­ungen. Geplant ist, dass das Gesetz mit Jänner 2018 in Kraft tritt.

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BILDER: SN/MARCO RIEBLER Fritz Messner besingt Salzburgs Dörfer. Astrid Rössler verteidigt ihre Pläne. Auf dem Podium: Alexander Kurz, Wolfgang Viertler, Moderator Stefan Veigl (SN), Rössler und Josef Guggenberg­er (v. l.). Eine Publikumss­timme: Johann Kaiser.
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