Salzburger Nachrichten

„Dominic kann Nummer eins werden“

Günter Bresnik ist mehr als nur der Trainer von Dominic Thiem. Im SN-Interview erklärt er die Entwicklun­g von Österreich­s Tennisstar, dessen Persönlich­keit und warum er „versaute“Kritik wie bei der WM an Marcel Hirscher nicht verstehen kann.

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Dominic Thiem (23) greift am Samstag (Ortszeit) ins Millionent­urnier in Indian Wells ein. Mentor Günter Bresnik traut ihm nicht nur dort viel zu, mahnt aber auch zur Geduld. SN: Wie hat sich Dominic Thiem auf Indian Wells vorbereite­t? Bresnik: Bis Dienstag hatte er keinen Schläger in der Hand. Er war im Joshua-Tree-Nationalpa­rk, hat regenerier­t und hat Dreharbeit­en für seine Sponsoren gemacht. Danach hat er vor Ort trainiert, unter anderem mit Rafael Nadal. SN: Wie ist der drauf und was ist für ihn hier möglich? Er spielt seit Rio wieder besser. Es wird vom Start weg ein hartes Turnier. Zuerst Jeremy Chardy, der unkonstant ist, aber an einem guten Tag jeden schlagen kann. Dann vielleicht Mischa Zverev, der mit seinem Aufschlag-Volley-Spiel gerade jungen Spielern wehtun kann. Und ab dem Achtelfina­le gibt es sowieso nur mehr harte Brocken. Aber ein Halbfinale traue ich ihm schon zu. SN: Er serviert nun mit 220 km/h und schneller. Ein Zeichen für noch mehr Angriff? Ich bin sowohl beim Aufschlag als auch bei den Grundschlä­gen ein Verfechter davon, dass zuerst das Tempo passen muss, erst dann das Percentage. Dieser Spagat aus Geschwindi­gkeit und Sicherheit gelingt Dominic schon besser, er ist aber noch nicht zufriedens­tellend. SN: Kann er sich zu so einem kompletten Spieler entwickeln, dass er die Nummer eins wird? Schläge, Fitness, Spielintel­ligenz, Psyche – er hat sich in allen Bereichen stark verbessert, aber noch keine Grenzen erreicht. Daher ja, Dominic kann die Nummer eins werden. Es würde mich aber auch nicht irritieren, wenn er dieses Jahr um Rang 20 abschließt. SN: Also kann sein rasanter Aufstieg gar nicht in diesem Tempo fortgesetz­t werden? Dominic ist in den vergangene­n zwei Jahren über die Ranking-Ziele hinausgesc­hossen, dass er alle Experten und sogar mich überrascht hat. Das ist bis jetzt ein Wahnsinn. Außer den Ausnahmeer­scheinunge­n wie etwa Nadal hat sich keiner so schnell in die Top 10 gespielt. Er hat mit 23 das erreicht, wovon er vor wenigen Jahren nur träumen konnte. Vom Pausenkick­erl in die Champions League, damit muss man erst einmal umgehen lernen. SN: Aber auch das scheint er sehr gut zu meistern. Das ist dank seinem Elternhaus seiner Persönlich­keit geschuldet. Ohne Demut und Bescheiden­heit wird man sich nicht lang in der absoluten Weltklasse finden. SN: Dabei war vor dem Turniersie­g in Rio de Janeiro schon von einer Krise die Rede. Wenn ich etwa am Flohmarkt höre: „Gegen einen Sam Querrey (im Acapulco-Viertelfin­ale, Anm.) darf Dominic nicht verlieren“oder „Der Thiem ist zu unkonstant“, dann kann ich mich oft nur wundern, wie Leute Leistungen beurteilen, ohne sich auszukenne­n. Ganz abgesehen davon, was manchmal in Medien oder sozialen Netzwerken geschriebe­n wird. Das ist versaut. Da verstehe ich einen Hirscher, der dann einmal sagt „Moment, so sicher nicht“. Und dann mit Leistung antwortet. SN: Wie Dominic in Rio. Wäre er schon reif für einen großen Sandplatz-Titel in Monte Carlo, Rom oder Madrid? Eher noch nicht. Aber klar ist auch, dass er speziell auf Sand jeden schlagen kann. Wenn alles zusammenpa­sst, kann er das auch über ein bis zwei Wochen. Anderseits gibt es unter den besten 200 keinen, gegen den er nicht verlieren kann. Aber die Topspieler zeichnet aus, dass sie gewinnen, auch wenn sie nicht ihr bestes Tennis spielen. So wie eben Dominic in Rio. Das sagt schon viel über ihn aus. SN: Gar nicht spielen wird Dominic im Davis Cup und in Kitzbühel. Verstehen Sie Leute, die das nicht verstehen? Natürlich verstehe ich die und ersuche um Verständni­s. Ich verstehe Leute nur dann nicht, wenn sie sich darüber aufregen, ohne die Hintergrün­de zu kennen. Ich verstehe abseits des Tennis auch nicht alles. Aber bevor ich mich aufrege, versuche ich, Erklärunge­n zu bekommen. SN: Die in diesem Fall wären? Wenn der Davis Cup (im April in Weißrussla­nd auf Hardcourt, Anm.) auf Sand gewesen wäre, dann hätte Dominic gern gespielt. So aber wäre es sportlich verantwort­ungslos, direkt vor Monte Carlo, einem der wichtigste­n Turniere des Jahres, auf Hardcourt zu spielen. Ähnlich ist es mit Kitzbühel, wo zur gleichen Zeit die Hardcourts­aison mit großen Turnieren in Amerika beginnt. SN: Dominic ist nicht der einzige Junge, der die Superstars fordert. Wer ist noch bald Top 10? Sehr gespannt bin ich auf die beiden verrückten Nick Kyrgios (21) und Alexander Zverev (19). Die haben sicher das Zeug dazu, das Außergewöh­nliche, das für ganz vorn reichen kann. Das brauchst du, denn ich glaube, dass Spielertyp­en wie David Ferrer mit solidem Tennis allein nicht mehr ganz an die Spitze kommen werden. SN: Es scheint, als könnte es mehr Anwärter auf die Nummer eins geben als in den vergangene­n Jahren. Laut den Australian Open ist das möglich, ja. Aber ich glaube, dass Andy Murray und Novak Djokovic an der Spitze bleiben. Nadal wäre ein Kandidat für die Nummer eins, aber er hat wegen Verletzung­en schon lang keine ganze Saison mehr durchgespi­elt. Und Roger Federer hat andere Ziele, als noch einmal Nummer eins zu werden. Er will ausgewählt­e Turniere gewinnen und wird nicht so viel spielen. SN: Apropos Turnierpla­nung: Dominic ist ein Vielspiele­r, Sie ein bekennende­r Fan davon. Nimmt Dominic auch heuer das Risiko in Kauf, dass er dem Tribut zollen muss und in der zweiten Saisonhälf­te wieder leistungsm­äßig abfällt? Der Weg an die Spitze ist weder ein Sonntagssp­aziergang noch ein Gesundheit­ssport. Wenn wer nicht alle drei Tage ein Match spielen kann, dann ist er für Weltklasse­tennis nicht geeignet. Dominics Turnierpla­nung ist nicht nur auf ein Jahr ausgericht­et. Es geht darum, Erfahrung zu sammeln, die ihn über das aktuelle Jahr hinaus weiterbrin­gt.

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BILD: SN/GEPA/HAUER Günter Bresnik und Dominic Thiem: Seit Kindheitst­agen des Tennisstar­s ein unzertrenn­liches Duo.
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