Salzburger Nachrichten

Fernsehen bildet, auch in der Politik

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Sie müssen jetzt sehr stark sein. Es gibt nämlich eine äußerst unangenehm­e Neuigkeit zu verkünden: In der Politik wimmelt es von Bösewichte­n! Bereits zum zweiten Mal wurde nun ein heimischer Amtsträger als das Böse an sich enttarnt. Erschrecke­nd ist das.

Den Anfang machte Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, der im Wahlkampf seinem Gegner Norbert Hofer vorwarf, die FPÖ wolle aus Österreich ein Alpen-Mordor machen – ein Reich des Bösen wie unter dem abscheulic­hen Sauron in „Der Herr der Ringe“.

Und kürzlich enthüllte der wackere Burgenländ­er Norbert Darabos, dass ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka eigentlich Darth Vader sei. Falls Ihnen das jetzt akut nichts sagen sollte, müssen Sie sich nicht kränken. Es ist keine Bildungslü­cke. Darth Vader ist ein Massenmörd­er aus „Krieg der Sterne“.

Für ältere Se- und Trimester, die mit Hollywood-Produkten nicht so vertraut sind, fügte Darabos eine weitere Enthüllung betreffend Reinhold Lopatka hinzu. Und zwar sagte er, dieser sei nicht nur Darth Vader, sondern auch Mephisto. Damit können ältere Herrschaft­en schon mehr anfangen. Mephisto, das ist der Geist, der stets verneint. Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. So also ist der Klubvorsit­zende der ÖVP.

Wie man diesen Mephisto-Vader kennt, wird er umgehend zurückschl­agen und enthüllen, dass Kanzler Christian Kern eigentlich Hagen von Tronje ist, der den strahlende­n Sebastian-Siegfried Kurz von hinten mit dem Speere meuchelt. Dann ist wieder die SPÖ dran und wird verkünden, dass Reinhold Mitterlehn­er im normalen Leben nicht Django, sondern Lord Voldemort heißt.

Und natürlich darf in diesem Fall auch Peter Pilz nicht fehlen und wird mit dem Lichtschwe­rt herumfucht­eln, ehe er exklusiv für die „Wickie, Slime und Paiper“-Generation aufdecken wird, dass der wahre Schuldige am Eurofighte­r-Desaster niemand anderer ist als der schrecklic­he Sven.

Dann fehlt nur noch, dass irgendwer unsere liebe Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures als die böse Spinne Thekla enttarnt, die schon der Biene Maja und dem faulen Willi das Leben schwer gemacht hat. Oder dass jemand die neue Gesundheit­sministeri­n als Lady Macbeth bezeichnet. Nein, es reicht an bösen Enthüllung­en. Nichts mehr davon!

Aber weil schon die neue Gesundheit­sministeri­n erwähnt wurde. Wie wird man in Österreich eigentlich Minister? Jeder Staat und jede Gesellscha­ft haben ja ihre eigenen Gesetzmäßi­gkeiten, was öffentlich­e Karrieren betrifft.

Im alten Rom zum Beispiel konnte nur derjenige die Ämterlaufb­ahn durcheilen, der ein perfekter Redner war. Ohne das ging es nicht. Im alten China wiederum war es das Um und Auf für eine Beamten- und Ministerka­rriere, den gesamten Konfuzius auswendig zu können. Und der war ganz schön lang.

In Österreich ist das anders. Bei uns ist das Geben gekonnter Fernsehint­erviews offensicht­lich ein ganz wesentlich­es Auswahlkri­terium für hohe Staatsämte­r. Es reicht nicht, ein anerkannte­r Experte für die fragliche Funktion zu sein. Nein, man muss dieses Expertentu­m auch in Fernsehint­erviews gut, wie man so sagt, rüberbring­en können. So wurde schon Hans Peter Doskozil zum Verteidigu­ngsministe­r und so kam jetzt auch Pamela Rendi-Wagner ins Gesundheit­sministeri­um.

Womit auch beantworte­t ist, wie Spitzenpol­itiker ihre freien Abende verbringen. Sie schauen sich die Interviews in der ZiB 2 an und ergänzen so die Personalre­serven ihrer Parteien. Und bei den anschließe­nden Nachtfilme­n füllen sie ihr Repertoire an Filmbösewi­chten auf, mit denen sie den politische­n Gegner vergleiche­n können. Vom vielen Fernsehen schauen sie dann halt selbst so aus wie der Herr der Augenringe.

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