Familie auf Schienen
Von Salzburg nach Rom fährt jetzt auch der ÖBB-Nightjet. Am Ziel empfehlen sich Fahrrad und Schusters Rappen.
Unterwegs zu sein, wenn alles schläft, ist nicht nur für Kinder reizvoll. Daher rollen die Betten in dieser Nacht Richtung Süden, und zwar auf Schienen: Seit dem Fahrplanwechsel ist es erstmals möglich, im ÖBBNightjet von Salzburg nach Rom zu schlafen. Das kann jedoch manchmal mehr Abenteuerurlaub als Traumreise sein. Wer kann schon ein Auge zutun bei so viel Aufregung? Ist das wirklich ein Kleiderhaufen auf der Liege gegenüber, im zuckenden Licht der Bahnsteige? Oder doch ein schlafender Vampir, der jederzeit munter werden könnte?
Gut, dass wenigstens die Zugbegleiter die Ruhe weghaben. Gelassen jonglieren sie Wasserflaschen, Leintücher und Polster durch die schaukelnden Waggons, weisen müden Zugestiegenen den Weg in ihre Abteile und scherzen mit jenen, die ihren Weg ins Bett noch gar nicht finden wollen. Und am nächsten Morgen, wenn aus dem Vampir auf der anderen Liege wieder Hosen, T-Shirts und Socken geworden sind, stillen sie den ganz gewöhnlichen Frühstückshunger mit Semmeln, Butter, Marmelade, Kaffee und Kakao.
Fast schade, dass die Schienenseligkeit bald ein Ende hat: Der öffentliche Verkehr in Rom ist, na, sagen wir ausbaufähig. Also alle aufs Rad? Durch die von Autos und Vespas durchfluteten Straßen? Gut, dass es die Parkanlage Villa Borghese gibt, in der römische Eltern ihren Sprösslingen das Radfahren beibringen. Besucher können viersitzige Fun-Bikes ausleihen. „Wegen der vielen Hügel ist ein E-Bike am besten“, empfiehlt Valeria Conti Bizarro. Sie lebt seit 15 Jahren in Rom und radelt wochenends mit ihrem Sohn gern über die Via Appia Antica, die sonntags für den Autoverkehr gesperrt ist. Wer das längste Museum der Welt mit seinen vielen Katakomben und Grabmälern, der Maxentiusvilla und der Villa der Quintilier mit dem Fahrrad entdecken möchte, kann sich ein solches im Appia Antica Caffè auf Hausnummer 175, unweit des Grabmals der Caecilia Metella, ausleihen. Durchgeschüttelt von den großen Pflastersteinen, wird die Antike nicht nur sichtbar, sondern vor allem auch spürbar. Einen schönen Ausblick auf die alte Straße gewährt gratis das meist wenig besuchte Museo delle Mura in den Türmen des Stadttors Porta San Sebastiano. Wer eine längere Pause vom Sattel braucht, kann von hier aus auch einen Abschnitt der alten Stadtmauer durchklettern.
Die alten Römer gingen meist zu Fuß. „In Rom muss man sich verlaufen“, sagt Cesare Valentinotti, nach einer Jugend in München seit vielen Jahren Römer, und grinst. „Die besten Entdeckungen bieten die kleinen Straßen und Höfe, die es in jedem Viertel gibt.“Rund um die Piazza della Madonna dei Monti oder in Trastevere lässt sich so manche Gelateria finden. Und typisch römische Spaghetti Carbonara stehen ganz oben in der Hitliste von Kindern. Auch Antikes lässt sich erwandern, die Pflichtstopps Forum Romanum oder Kolosseum etwa, aber auch Ostia Antica, zwar außerhalb von Rom gelegen, mit der Bahn Richtung Lido aber ausnahmsweise gut zu erreichen. Die ehemalige Hafenstadt an der Tiber-Mündung wird von den buckligen Pflastersteinen der Hauptstraße durchschnitten, zwischen Haus- und Tempelresten entlang der Straße sind zwischen dem Gras unter den Füßen immer wieder Mosaike zu erkennen. Pflanzen und Erde vorsichtig beiseitezuschieben, um weitere Motive freizulegen, macht kleinen Archäologen großen Spaß.
Zurückgekehrt nach Rom, kann der Tag auf der autofreien Ponte Milvio ausklingen, wo die untergehende Sonne das graubraune Tiber-Wasser orange färbt. Nach einer letzten Pizza bekommen die Betten, die für ein paar Nächte stillgestanden sind, wieder Räder. Dass die Nacht im Nightjet wie im Flug vergeht, wäre gelogen, auch wenn sich der Vampir dieses Mal wohl ein anderes Abteil gesucht hat. Oder ist er einfach noch ein paar Tage in Rom geblieben? Beneidenswert. Der Appell des Zugbegleiters an alle Kinder, die gleich in Salzburg aussteigen, erscheint vor diesem Hintergrund durchaus berechtigt: „Mami nicht vergessen!“