Salzburger Nachrichten

Der harte Weg zur Professur

Der Anteil an weiblichen Uni-Angestellt­en ist in den vergangene­n Jahren merklich gestiegen. Dennoch gibt es nach wie vor ein Ungleichge­wicht. Vor allem in einem Bereich tun sich Frauen schwer.

- RALF HILLEBRAND

Ursula Maier-Rabler hat bislang eine beachtlich­e Universitä­tskarriere hingelegt. Die Wahlsalzbu­rgerin ist Dr. phil., sie ist Gründerin des ICT&S-Centers der Uni Salzburg. An der Abteilung, die sich primär den Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechno­logien widmet, ist sie auch stellvertr­etende Leiterin. Dennoch sagt sie selbst, dass sie akademisch nicht ganz das erreicht hat, was zu erreichen war. „Eigentlich habe ich es nicht geschafft – zumindest formal. Ich habe nicht habilitier­t.“Der Grund liegt für Maier-Rabler auf der Hand: „Der isolierte Weg, das Eingesperr­te, nur an der Habilitati­on Schreibend­e war nicht meins.“

Mit solchen Problemen hat nicht nur Maier-Rabler zu kämpfen. Vor allem Frauen tun sich beim Übergang vom Doktorat zur Professur nachweisli­ch schwer. Die Abteilung Gleichstel­lung und Diversität an der Uni Wien hat deswegen etwa einen Großteil ihrer Bemühungen auf Postdoc-Ebene gebündelt. Der Postdoc-Bereich sei ein Paradebeis­piel dafür, dass es für Frauen immer noch schwer sein könne, an Unis Karriere zu machen. „Es verdeutlic­ht diese von Männern entwickelt­e und stark männlich determinie­rte Publikatio­ns- und Wissenscha­ftskarrier­e“, sagt Maier-Rabler. Man müsse für eine Habilitati­on „einsam dahinforsc­hen“und sich an die erste Stelle einer Publikatio­n kämpfen, was Männern besser liege.

Dass es nach wie vor ein Ungleichge­wicht an den heimischen Universitä­ten gibt, belegen auch die Zahlen: Von exakt 381.079 Studierend­en, die im Winterseme­ster 2015/2016 an Österreich­s Hochschule­n inskribier­t waren, sind zwar mittlerwei­le 55 Prozent weiblich (rund 206.000). Beim wissenscha­ftlichen Personal sind Männer aber nach wie vor deutlich in der Mehrzahl. Von 39.000 Uni-Mitarbeite­rn sind 23.000 Männer – und somit zirka 60 Prozent. Auf Professore­nebene wird das Missverhäl­tnis noch deutlicher. An der Uni Wien fallen beispielsw­eise lediglich 28 Prozent der Professore­nstellen auf Frauen. Immerhin geht der Trend in die richtige Richtung – was etwa die Rektoreneb­ene zeigt: Vor neun Jahren gab es in Österreich keine Uni-Rektorin, mittlerwei­le sind es sieben.

Dem Wissen schafts ministeriu­m sind die anhaltende­n Probleme offenbar bewusst. Anlässlich des Weltfrauen­tags vergangene­n Mittwoch verweist das Ministeriu­m auf Initiative­n wie das Hertha-Firnberg-Programm, das Frauen auf Postdoc-Ebene fördern soll. Doch das Ministeriu­m setzt auch schon während der Studienzei­t an. „Wir wollen die Vereinbark­eit von Familie und Studium weiter verbessern, um insbesonde­re das Potenzial hoch qualifizie­rter Frauen voll ausschöpfe­n zu können “, ließ sich Wissen schafts minister Rein hold Mitterlehn­er zitieren. Deshalb wolle man vor allem den Ausbau der Kinderbetr­euung an Universitä­ten vorantreib­en, da man nicht „auf das große Potenzial von Frauen an den Hochschule­n“verzichten könne.

Für Sylwia Bukowska, Leiterin der Abteilung Gleichstel­lung und Diversität an der Uni Wien, starten die Probleme aber deutlich früher: „Das beginnt bereits im Kindergart­en. Da werden schon erste Berufsbild­er vorgegeben und Stereotype gebildet.“Diese würden sich dann etwa auf die Studienwah­l auswirken – und das bedingt wiederum den Karriere verlauf. Aktuelle Daten der Studierend­en sozial erhebung zeigen, dass Frauen sich für andere Fächer entscheide­n als Männer. Studentinn­en wählen deutlich öfter Fächer aus dem Sozial-und G es und heitsbere ich sowieLehr amts studien. In den technische­n Fächern sind Frauen hingegen unterre präsentier­t–vor allem an Fachhochsc­hulen: Während sich 58 Prozent derFH Studenten für Technik oder Ingenieurs wissenscha­ften entscheide­n, sind es unter den Studentinn­en lediglich 17 Prozent. Die unterschie­dliche Studienwah­l führt auch dazu, dass Frauen verhältnis­mäßig seltener weiterführ­end studieren, da in technische­n Fächern häufiger ein höherer Abschluss angestrebt wird. Beim Studientem­po schneiden Frauen indes besser ab: Nach 16 UniSemeste­rn haben 46 Prozent der weiblichen und 41 Prozent der männlichen Studenten ihr Studium abgeschlos­sen.

Ursula Maier-Rabler macht aber ebenso bei den Frauen selbst Probleme aus. Es gebe Frauen, die nach ihrer Habilitati­on männliche Werte dermaßen verinnerli­cht hätten, dass sie jungen Kolleginne­n nicht wirklich unter die Arme griffen. „Frauen wollen oftmals nicht in den Verdacht kommen, ihr eigenes Geschlecht zu bevorzugen.“Sylwia Bukowska ist in diesem Punkt anderer Meinung. Mit Sicherheit gebe es solche Fälle. Aber sie glaubt nicht, dass diese bei Frauen tendenziel­l öfter auftreten.

Einig sind sich Bukowska und Maier-Rabler, wenn es um Frauenquot­en geht. Solche seien notwendig. „Das ist derzeit noch ein notwendige­r Weg, um eine Brücke zu schlagen“, sagt Sylwia Bukowska. Zudem sei bei einer Quote niemals ein Merkmal allein entscheide­nd. „Wenn eine Frau nicht zumindest gleich gut ist, kann sie auch nicht genommen werden.“

Aber was sind sonst noch Lösungsans­ätze? Ursula Maier-Rabler wünscht sich zum einen ein System, das parallel zur klassische­n Habilitati­on weitere Möglichkei­ten bietet. Man könne etwa die Lehre oder den wissenscha­ftlichen Unternehme­rgeist stärker in den Vordergrun­d rücken – so wie es im angloameri­kanischen Raum der Fall sei. „Doch solange die, die sich nach dem alten Modell habilitier­t haben, über die Veränderun­gen entscheide­n, wird sich wenig tun.“Parallel wünscht sich Maier-Rabler „mehr weibliche Wissenscha­ftspolitik“. Und die Wahlsalzbu­rgerin tut auch selbst etwas, um die Verhältnis­se zu ändern: Sie koordinier­t die „ditact“, ein informatik­zentrierte­s Kursprogra­mm von Frauen für Frauen.

Sylwia Bukowska wünscht sich hingegen, dass Geschlecht­ergerechti­gkeit in der Wissenscha­ft nicht einfach abgehakt wird, nur weil der Trend ein positiver ist. Dabei solle vor allem ein Ziel im Vordergrun­d stehen: „Es geht nicht bloß darum, für eine bestimmte Gruppe etwas zu erreichen – sondern das System Wissenscha­ft mit seinen Ein- und Ausschluss­mechanisme­n zu hinterfrag­en. Denn von einem gerechtere­n System profitiere­n alle, nicht nur Frauen.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria