Steht Geert Wilders vor der Tür? Alles ist wohl halb so wild
Die niederländische liberale EU-Abgeordnete Sophie in ’t Veld hat keine Angst vor Geert Wilders – aber vor seinen Nachahmern.
Es ist nicht einfach, vor der niederländischen Wahl eine EU-Abgeordnete aus diesem Land auf ein Frühstück zu treffen. Auch Sophie in ’t Veld war vorige Woche viel im Wahlkampfeinsatz, in Den Haag, in Maastricht und an vielen Orten mehr, dazwischen kurz in Brüssel und nun für die monatliche Plenarwoche in Straßburg, wo sich wenigstens ein flotter Kaffee in einer der Cafeterias ausgeht.
Die quirlige in ’t Veld hat großes rhetorisches Talent und Durchhaltevermögen. Darauf verzichtet ihre Partei, die der linksliberalen und EU-freundlichen Demokraten 66, nicht gern, wenn es um etwas geht. Und diesmal geht es vor allem darum, zu verhindern, dass der dezidiert islamfeindliche und EU-kritische Rechtspopulist Geert Wilders morgen, Mittwoch, bei der Parlamentswahl Erster wird.
Die D66 lag zuletzt in Umfragen mit rund zwölf Prozent auf Platz drei und gilt als möglicher Koalitionspartner, sollte die rechtsliberale Partei von Premier Mark Rutte sich halten können. Ob der Streit um Auftritte türkischer Minister in den Niederlanden Rutte helfen wird, wagt in ’t Veld nicht zu beurteilen. Es könnte aber die Spaltung des Landes fördern, befürchtet sie. Wie es so weit kommen konnte, dass die nüchternen, kreuzbraven, freiheitsliebenden Niederländer einen wie Wilders wählen? Sie erklärt es mit der Verunsicherung vieler Menschen – durch Globalisierung, Digitalisierung, Urbanisierung, vor allem aber durch Immigration und Emanzipation. „Wenn eine Frau beinahe US-Präsidentin wird und ein Muslim Bürgermeister von London oder Rotterdam“, bringe dies das Weltbild vieler ins Wanken. „Die Welt hat sich völlig verändert“, sagt in ’t Veld in nahezu perfektem Deutsch – einer der fünf Sprachen, die sie spricht. Da komme ihnen das Versprechen der Populisten, die Zeit zurückzudrehen, gerade recht: „Aber das gibt es nicht.“Die EU-Parlamentarierin hält Wilders für keine wirklich große Gefahr, weil er keine Mehrheit erringen werde und bis jetzt keinen Koalitionspartner habe. Eine Ansicht, die man von Niederländern öfter hört. „Unser System macht es Extremisten schwer“, sagt in ’t Veld. Beunruhigend für die überzeugte Liberale ist mehr, wie die etablierten Parteien die Ideen der Populisten aufnehmen. Dabei sei längst bewiesen: Kopieren der Populisten „bringt nichts“. In ’t Veld hofft, dass der Brexit ein Weckruf gewesen ist. Bei den Niederländern seien zumindest die Nexit-Befürworter weniger geworden, sagt sie.
Auch in der EU hält sie Angriff für die beste Verteidigung gegen die wachsende Skepsis. Die Europäer müssten erst wieder lernen, sich nicht einschüchtern zu lassen, sondern zu kämpfen und die Stimme zu erheben. „Wir Holländer sagen, unter Druck wird alles flüssig“– also veränderbar. Wer ihr zuhört, weiß, dass sie das ernst nimmt.