Salzburger Nachrichten

Frauen gehen an die Grenzen

Zu Fuß durch die Wüste Lut im Iran oder die Teilnahme an der Rallye Aïcha des Gazelles du Maroc. Abenteuerl­ustige Österreich­erinnen haben keine Angst vor der Herausford­erung.

- EVA HAMMERER

Veronika Grabher hat derzeit alle Hände voll zu tun: Morgen, Mittwoch, wird sie zu ihrem bisher größten Abenteuer aufbrechen. Mit ihrer Navigatori­n Sybille Klinger nimmt sie am Rennen Aïcha des Gazelles du Maroc teil – als erstes österreich­isches Team. Am 18. März brechen rund 320 Teilnehmer­innen aus 25 Ländern in Nizza zu dem Rennen auf, das sie bis ins Hinterland von Marokko führt.

Die Vorarlberg­erin Grabher hat eine besondere Verbindung zu Marokko. „Meine Mutter ist die Tochter eines marokkanis­chen Soldaten, welcher in der französisc­hen Armee diente und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Bregenz stationier­t war“, begründet sie ihre Teilnahme an der Rallye. Doch er wurde von der französisc­hen Armee nach Vietnam entsandt – „noch bevor meine Mutter zur Welt kam“. Seine Spur verlor sich dort im Jahr 1952.

Bis 2015 hatte sie keinen Kontakt zu ihrer Herkunftsf­amilie in Marokko. Nach jahrelange­n Recherchen traf sie mehrere marokkanis­che Angehörige. Allein im Bodenseera­um seien rund 200 Besatzungs­kinder zur Welt gekommen. Diese und ihre Mütter wurden häufig von ihren Familien verstoßen. Viele von ihnen kennen ihre Väter bis heute nicht. Der Mütter will Grabher bei der Frauenrall­ye gedenken. „Es war wie ein Auftrag für mich: Es hat mich nicht mehr losgelasse­n“, sagt sie.

Seit August bereitet sich Grabher auf das Rennen vor. Erfahrunge­n mit Rallyes hatte sie bisher nicht gemacht. „Aber ich wohne in der Nähe der deutschen Autobahn und fahre auch gern schnell“, sagt sie augenzwink­ernd.

Grabher absolviert­e auch eine Testfahrt in Marokko. „Damit ich das Fahren in den Dünen erlerne.“Denn die gesamte Rallye ist abseits der Straßen. Es geht nicht um Schnelligk­eit, sondern vielmehr darum, die Strecke auf möglichst kurzem Weg zurückzule­gen. Als Hilfsmitte­l für die Navigation sind nur Karten oder Kompass erlaubt – GPS ist streng verboten. Ihre Partnerin bei der Reise ist die gebürtige Deutsche Sybille Klinger. Sie ist stellvertr­etende Hoteldirek­torin und übernimmt die Navigation. Durchkomme­n ist das Ziel des Teams für die erste Teilnahme.

Sie sei selbst ihr Hauptspons­or, erklärt Grabher. Nächstes Jahr will sie wieder teilnehmen und plant, einen Verein zu gründen. Auf ihrer Homepage (WWW.BEYONDLIMI­T.AT) ruft sie zum Spenden auf. Außerdem finanziert die Non-Profit-Organisati­on Coeur de Gazelles durch das Rennen Ärzte, die Nomaden und Bewohner abgelegene­r Dörfer im Süden Marokkos versorgen. Auch werden Schulen unterstütz­t und Waisenhäus­er gebaut. Bei der Rallye, die zum 27. Mal stattfinde­t, wird zudem großer Wert auf den Umweltschu­tz gelegt, so wird etwa der Müll streng getrennt. Das Rennen hat eine eigene ISO-Zertifizie­rung.

Einer anderen Herausford­erung stellte sich die Salzburger­in Clarissa Sigl. Die in London lebende Unternehme­nsberateri­n nahm im November an einer Expedition von Secret Compass teil und durchquert­e mit einer Reisegrupp­e die iranische Wüste Lut – zu Fuß. Dabei legte sie 300 Kilometer zurück. „Bis 2012 war es verboten, die Gegend zu betreten“, erzählt sie. Nur Drogenschm­uggler waren dort unterwegs. 2016 wurde die Wüste zum UNESCO-Welterbe erklärt.

Um an dieser anstrengen­den Tour teilnehmen zu können, müsse man einige Voraussetz­ungen erfüllen, sagt Sigl. „Man muss fit sein – psychisch wie physisch.“Zudem musste sie im Vorfeld für den Marsch trainieren. „Ich habe dafür einen Plan bekommen und auch spezielle Schuhe für die Wüste.“

Bei der Tour brach die geführte Gruppe mit sechs Männern und drei Frauen täglich um 5.30 Uhr auf, marschiert­e bis zur Mittagspau­se gegen 11 Uhr. „Dann wurde es richtig heiß, aber es war nie unangenehm. Ich hatte es mir schlimmer vorgestell­t.“Dennoch: Die Wüste Lut gilt als heißester Ort der Welt. Dort wurden Temperatur­en von mehr als 70 Grad Celsius gemessen.

„Es gibt gar nichts: keine Tiere, keine Pflanzen, keine Menschen“, sagt Sigl. Und vor allem eines: kein Handyempfa­ng. „Das ist fast meditativ.“Der Erholungsf­aktor in der Wüste sei besser gewesen als bei zwei Wochen Urlaub am Indischen Ozean – obwohl oder gerade weil es Entbehrung­en gab, etwa ohne Dusche auszukomme­n. „Der tatsächlic­he Luxus war, dass wir uns auf das Allernötig­ste beschränke­n mussten.“

Für Sigl war es überwältig­end, „etwas zu machen, das vorher kaum jemand gemacht hat. Wir waren die erste kommerziel­le Gruppe, die zu Fuß dort unterwegs war.“Sie fühle sich privilegie­rt, einen Ort auf dieser Welt besucht zu haben, den bisher nur wenige gesehen haben.

„Es war wie ein Auftrag für mich: Es hat mich nicht mehr losgelasse­n.“ Veronika Grabher, Rallyepilo­tin

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BILD: SN//PRIVAT Veronika Grabher stellt sich einer großen Herausford­erung.
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BILD: SN/PRIVAT In der Wüste Lut fand Clarissa Sigl den wahren Luxus.

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